I. Gesteigerte Bedeutung aufgrund der Sondereigentumsfähigkeit des Grundstücks
1. Ausgangslage nach altem Recht
Rz. 81
Die Frage nach der Behandlung von Maßnahmen im Sondereigentum, die einer baulichen Veränderung gleichkommen, war nach früherem Recht eher von rein dogmatischem Interesse, da derartige Veränderungen fast immer auch das Gemeinschaftseigentum betrafen und somit ohne weiteres nach den Regelungen des § 22 WEG a.F. zu beurteilen waren. Selbst die maßgebliche Entscheidung des BGH zu derartigen Veränderungen im Sondereigentum ist insoweit bereits im Ansatz zweifelhaft, da der Ausgangspunkt dort ein Vordach war, dessen Zuordnung zum Sondereigentum wenig überzeugend erscheint.
2. Gestiegene Bedeutung durch die Sondereigentumsfähigkeit des Grundstücks
Rz. 82
Nach neuem Recht ist voraussehbar, dass die Regelungen zu Veränderungen im Sondereigentum, die über Erhaltungsmaßnahmen hinausgehen, erhebliche praktische Bedeutung erlangen werden. Dies liegt an der neuen Sondereigentumsfähigkeit des Grundstücks nach § 3 Abs. 2 WEG. Über die Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehende Veränderungen des Grundstücks wären nach altem Recht stets bauliche Veränderungen gewesen, da dieses zwingend im Gemeinschaftseigentum stand. Nunmehr sind sie nach der Grundregel des § 94 BGB stets Veränderungen des Sondereigentums. Hier dürfte das Hauptanwendungsgebiet der Sonderregelung des § 13 Abs. 2 WEG liegen. Darüber hinaus werden die Privilegierungen des § 20 Abs. 2 S. 1 WEG erhebliche Bedeutung gewinnen, wenn es um die Weiterführung der Maßnahme vom Gemeinschafts- in das Sondereigentum geht.
II. Erleichterungen
1. Unerhebliche Beeinträchtigung
Rz. 83
§ 13 Abs. 2 WEG enthält für den umbauwilligen Wohnungseigentümer hinsichtlich des Sondereigentums nur eine einzige Erleichterung: Führt seine Maßnahme nicht zu einer mehr als unerheblichen Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer, darf er die Veränderung des Sondereigentums ohne gestattenden Beschluss durchführen. Die Frage, wann eine Beeinträchtigung vorliegt, hat der Gesetzgeber nicht neu geregelt. Hier gelten wie beim Gemeinschaftseigentum mangels neuer Vorgaben die zu § 14 Nr. 1 WEG a.F. entwickelten Kriterien fort, dessen Wortlaut und Inhalt § 13 Abs. 2 WEG wiederholt. Damit ist es wenigstens bei unwesentlichen Beeinträchtigungen wie dem Einsetzen eines Dübels im Sondereigentum nicht erforderlich, einen Beschluss der Eigentümerversammlung einzuholen oder gar gerichtlich ersetzen zu lassen.
2. Einverständnis aller beeinträchtigten Miteigentümer
Rz. 84
§ 13 Abs. 2 WEG erfasst nicht den Fall, dass alle beeinträchtigten Miteigentümer ihr Einverständnis mit der Veränderung des Sondereigentums erklärt haben. Dies ist nach dem ausdrücklichen Bekunden des Gesetzgebers kein Versehen. Vielmehr muss der Umbauwillige auch in diesen Fällen die Gestattung der Maßnahme durch Beschluss der Eigentümerversammlung einholen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden.
III. Anwendbarkeit der Regeln zur baulichen Veränderung
1. Beschlusskompetenz
a) Vom Wohnungseigentümer gewünschte bauliche Veränderungen
Rz. 85
Das WEMoG unterstellt jetzt auch Veränderungen im Sondereigentum, die über die Erhaltung hinausgehen, den Regeln zur baulichen Veränderung. Dieser Begriff wird nur deswegen nicht verwendet, weil er terminologisch auf das Gemeinschaftseigentum beschränkt sein soll. Dies läuft auf eine zu weitgehende Mitwirkung der Miteigentümer hinaus, da jetzt grundsätzlich alle über bloße Erhaltungsmaßnahmen hinausgehenden Veränderungen auch im Sondereigentum die Gestattung durch Beschluss bedürfen. Damit wird der Wohnungseigentümer in seiner Möglichkeit, sein Sondereigentum nach seinen Vorstellungen zu gestalten, erheblich eingeschränkt, was – wie schon im Zusammenhang mit Erhaltungsmaßnahmen gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG – problematisch erscheint. Denn viele selbstverständliche Eingriffe in das Sondereigentum wie das Anbringen von Vorhängen etc. dienen zwar nicht der Erhaltung des Sondereigentums und können auch den Gesamteindruck der Wohnanlage optisch verändern, gehören aber zum normalen Wohnverhalten. Gleichwohl sind sie nur unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 WEG ohne Gestattung zulässig. Die mit den erweiterten Einflussmöglichkeiten der Miteigentümer verbundenen Unzuträglichkeiten lassen sich teilweise durch eine weite Handhabung der Erheblichkeitsschwelle korrigieren. So stellten schon nach altem Recht die mit den Bauarbeiten einhergehenden Immissionen in der Regel keine erhebliche Beeinträchtigung dar. Hieraus resultierende Belästigungen stehen somit der Genehmigungsfreiheit aus § 13 Abs. 2 WEG nicht entgegen.
b) Vom Wohnungseigentümer nicht erwünschte bauliche Veränderungen
Rz. 86
Noch gravierender mutet die im Gesetz nunmehr angelegte Möglichkeit an, in das Sondereigentum hineinzuregieren. Über die Verweisung des § 13 Abs. 2 WEG auf § 20 WEG kann die Mehrheit in der Eigentümerversammlung jedenfalls nach dem Wortlaut der Vorschrift auch im Sondereigentum über die Erhaltung hinausgehende Veränderungen beschließen. Diese Ausdehnung der Mehrheitsmacht erscheint umso gravierender, als auch bei Be...