I. Grundsätzliche Mängel der Regelungstechnik

1. Misslungene Verweisungstechnik

 

Rz. 138

Ähnlich wie Erhaltungsmaßnahmen soll der Drittnutzer grundsätzlich auch darüber hinausgehende Veränderungen dulden. Hier erreicht die den Verfassern des WEMoG offenkundig besonders ans Herz gewachsene Verweisungstechnik allerdings einen traurigen Höhepunkt, indem § 15 Nr. 2 WEG auf §§ 555c Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 24 und 555d Abs. 25 BGB Bezug nimmt. Damit wird die Duldung anderer Maßnahmen (nämlich solcher der Modernisierung) in anderen schuldrechtlichen Beziehungen (nämlich zwischen Vermieter und Mieter) unter nicht geltenden Einschränkungen (u.a. gemäß § 555c Abs. 3 BGB bei energetischen Maßnahmen und § 555c Abs. 4 BGB bei unerheblichen Mieterhöhungen, die in § 20 WEG keine Rolle spielen) zum Maßstab für die Duldungspflicht von Drittnutzern gemacht. Diese Verweisungstechnik führt im Ergebnis dazu, dass der Wille des Gesetzgebers bis zur Unverständlichkeit verklausuliert wird. Die unspezifizierte Verweisung in § 15 Nr. 2 WEG auf § 555c Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2, Abs. 24, § 555d Abs. 25 BGB lässt schließlich außer Acht, dass sich die Ankündigung baulicher Veränderungen in ihrer Zielsetzung deutlich von der Modernisierungsankündigung unterscheidet. Während letztere dem Mieter die Beurteilung ermöglichen soll, ob überhaupt eine Modernisierung (mit möglicher späterer Mieterhöhung) vorliegt, kommen ähnliche Differenzierungen bei der baulichen Veränderung nicht in Betracht. Hier ist die Beschreibung der Maßnahme allenfalls im Hinblick auf das Vorliegen einer Härte gemäß § 555d Abs. 2 BGB von Bedeutung.

2. Übersehene Wertungswidersprüche

 

Rz. 139

Darüber hinaus produziert insbesondere die Möglichkeit von Drittnutzern, sich auf Härtegründe gemäß § 15 Nr. 2 WEG i.V.m. § 555d Abs. 2 BGB zu berufen, unüberbrückbare Wertungswidersprüche. Der Gesetzgeber hat sich mit guten Gründen dafür entschieden, die Möglichkeiten der Wohnungseigentümer, bauliche Veränderungen zu verhindern, deutlich einzuschränken. Beschlüsse hierüber sind nun gemäß § 20 Abs. 4 WEG nur noch bei einer grundlegenden Umgestaltung oder unbilligen Benachteiligungen anfechtbar. Bei Drittnutzern geht der Gesetzgeber den umgekehrten Weg, indem er ihnen die Möglichkeit gibt, bei Härten nach § 15 Nr. 2 WEG i.V.m. § 555d Abs. 2 BGB die Duldung der Maßnahme zu verweigern. Hierunter können bereits die für Wohnungseigentümer schon nach altem Recht unerheblichen Belästigungen aufgrund der Baumaßnahmen selbst fallen, ebenso Veränderungen der Liegenschaft, die noch keine grobe Benachteiligung darstellen. Wenn man überhaupt Bedarf für eine solche Härteregelung zugunsten der Drittnutzer sieht, hätte es statt der ohnehin fragwürdigen Verweisung auf das Mietrecht weit näher gelegen, auch ihnen die Möglichkeit zur Verweigerung der Duldung nur unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 WEG zu gewähren. Nun kommt es zu der paradoxen Situation, dass der Drittnutzer auf diesem Wege wesentlich weitgehendere Verteidigungsmöglichkeiten gegen eine bauliche Veränderung hat als der Sondereigentümer selbst.

II. Die Ankündigung von baulichen Veränderungen (§ 15 Nr. 2 WEG i.V.m. § 555c BGB)

1. Gegenstand der Ankündigung (§ 15 Nr. 2 WEG i.V.m. § 555c Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 BGB

 

Rz. 140

Nach § 15 Nr. 2 WEG sollen "Maßnahmen, die über die Erhaltung hinausgehen" angekündigt werden. Bereits dies zeigt, dass die Verweisung auf § 555c BGB misslungen ist, wonach der mietrechtlichen Zielsetzung entsprechend durchweg nur von "Modernisierungsmaßnahmen" die Rede ist, die aber nur einen Teil der möglichen baulichen Veränderungen umfassen. Wo die in Bezug genommenen Normen von "Modernisierungs(maßnahmen)" reden, muss dies im vorliegenden Zusammenhang durch "bauliche Veränderungen" ersetzt werden.

2. Textform

 

Rz. 141

Die Ankündigung bedarf gemäß § 15 Nr. 2 WEG der Textform. Damit nimmt die Vorschrift auf § 126b BGB Bezug. Der Drittnutzer kann also durch eine Urkunde oder auf jede andere zur dauerhaften Wiedergabe von Schriftzeichen geeigneten Weise, z.B. mit E-Mail über die anstehende bauliche Veränderung informiert werden.[91] § 15 Nr. 2 WEG fordert nicht, dass alle nach § 555c BGB erforderlichen Informationen in einem Dokument enthalten sein müssen.[92] So ist etwa zur Textform der Einberufung nach § 24 Abs. 4 S. 1 WEG anerkannt, dass der Verwalter eine "gemischte Einladung" teils per E-Mail, teils per Fax und im Übrigen schriftlich versenden darf.[93] Im Übrigen wäre eine Bezugnahme auf frühere Urkunden selbst nach den strengeren Anforderungen des § 126 BGB zulässig[94] und jedenfalls im Wege der Auslegung als gewünscht anzusehen.

 

Rz. 142

Denkbar ist daher auch die schrittweise Information, etwa zunächst über das Datum und die anstehenden Arbeiten und später über deren Umfang. Aus diesem Grund ist auch die Ergänzung einer unvollständigen Ankündigung möglich, ohne dass die bereits mitgeteilten Tatsachen sämtlich wiederholt werden müssen. Ebenso ist eine Kombination verschiedener Mitteilungsformen, etwa die briefliche Ankündigung der jeweiligen Arbeiten und die spätere Mitteilung des konkreten Termins der Durchführung durch E-Mail möglich. Die Dreimonatsfrist in § 15 Nr. 2 WEG wird aber nur durch eine vollständige Ankündigung gewahrt, so dass es bei Teilankündigungen auf die letzte Mitteilung ankommt.

[9...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?