1. Bedeutung der gesetzlichen Verbotstatbestände
Rz. 34
Bauliche Veränderungen hat der Gesetzgeber in § 20 Abs. 4 WEG nur zwei Grenzen gesetzt: Sie darf die Wohnanlage nicht grundlegend umgestalten und keinen Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig benachteiligen. Die Tatbestände schließen sich nicht aus. Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage kann zugleich einen Wohnungseigentümer unbillig benachteiligen. Aus der Formulierung, dass diese Veränderungen nicht beschlossen werden "dürfen", geht hervor, dass es sich nicht um eine Schranke der Beschlusskompetenz handelt, wofür der Gesetzgeber "nicht können" verwendet hätte. Es handelt sich mithin um eine Schranke der ordnungsmäßigen Verwaltung. Im Ergebnis wäre auch ein Beschluss über eine bauliche Veränderung, die die Wohnanlage grundlegend umgestaltet oder einen Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig benachteiligt, nur anfechtbar, erwüchse aber in Bestandskraft.
2. Grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage
a) Kein Rückgriff auf die "Eigenart der Wohnanlage" gemäß § 22 Abs. 2 S. 1 WEG a.F.
Rz. 35
Der neue, unbestimmte Rechtsbegriff der grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage knüpft nicht, wie die Ähnlichkeit der Formulierung und die Übernahme der "unbilligen Beeinträchtigung" aus § 22 Abs. 2 S. 1 WEG a.F. nahelegen könnten, an das dortige Tatbestandsmerkmal einer Änderung der Eigenart der Wohnanlage an. Vielmehr will der Gesetzgeber deutlich über die Eingriffsintensität des § 22 Abs. 2 S. 1 WEG a.F. hinausgehen, die nach einigen Gerichtsentscheidungen – wohl entgegen der seinerzeitigen Intention des Gesetzgebers – sehr schnell erreicht war. Nach Bekunden der Materialien ist daher nicht jede Änderung der Eigenart der Wohnanlage auch eine grundlegende Umgestaltung.
b) Maßstäbe des Gesetzgebers
Rz. 36
Jenseits des Vergleichs mit § 22 Abs. 2 S. 1 WEG a.F. definieren die Gesetzesmaterialien die grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage nur ansatzweise. Als negatives Abgrenzungsmerkmal nennen die Gesetzesmaterialien die privilegierten Maßnahmen nach § 20 Abs. 2 S. 1 WEG, die grundsätzlich keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage darstellen. Positiv nennt die Gesetzesbegründung als "Bezugspunkt (…) die Anlage als Ganze." Hieraus geht hervor, dass die Gesamtanlage betroffen sein muss. Veränderungen nur in einer Einheit, die sich nicht auf die Gesamtanlage auswirken genügen demnach nicht. Gleiches dürfte für Veränderungen in nur einem Haus einer Mehrhausanlage gelten, die außerhalb dieses Hauses nicht sichtbar ist. Eine Einwirkung auf die bestehenden Baulichkeiten setzt § 20 Abs. 4 WEG allerdings nicht voraus. So kann auch die Umwandlung der Außenanlagen, etwa die durchgreifende Umgestaltung der parkähnlichen Grünflächen auf eine grundlegende Umgestaltung hinauslaufen. Ebenso wenig setzen Wortlaut und Materialien eine bestimmte, etwa sichtbare Beeinträchtigung voraus. Es können auch weniger augenfällige Veränderungen etwa in der Umgestaltung der Haustechnik zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage führen.
3. Unbillige Benachteiligung
a) Anknüpfung an § 22 Abs. 2 S. 1 WEG a.F.
Rz. 37
Anders als die grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage knüpft der Gesetzgeber bei der unbilligen Benachteiligung einzelner Wohnungseigentümer bewusst an § 22 Abs. 2 S. 1 WEG a.F. an. Dass der Begriff der Beeinträchtigung durch denjenigen der Benachteiligung ersetzt wurde, habe lediglich sprachliche Gründe. Im Übrigen gibt der Gesetzgeber zur unbilligen Benachteiligung weitere Ansatzpunkte einer Definition, die allerdings über diejenigen in Zusammenhang mit § 22 Abs. 2 S. 1 WEG a.F. nicht hinausgehen und auch nur begrenzt praxistauglich sind.
b) Durch die bauliche Veränderung nicht ausgeglichene Nachteile
Rz. 38
Nach der Gesetzesbegründung setzt eine unbillige Benachteiligung zunächst voraus, dass ein Miteigentümer durch die bauliche Veränderung Nachteile erleidet, die durch die mit ihr verfolgten Vorteile nicht ausgeglichen werden. Dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt nur bei baulichen Veränderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft eine nennenswerte Abgrenzungsfunktion. Denn bauliche Veränderungen zugunsten einzelner Wohnungseigentümer bezwecken regelmäßig keinen Vorteil der übrigen Wohnungseigentümer. Hier können Nachteile zulasten einzelner Wohnungseigentümer bestimmungsgemäß nicht durch Vorteile aufgewogen werden, die mit der baulichen Veränderung verbunden sind. Folglich ist die Nachteilszufügung hier immer zu bejahen. Bei gemeinschaftsnützigen baulichen Veränderungen sind dagegen Vor-und Nachteile für den einzelnen Wohnungseigentümer abzuwägen. Dies erscheint sinnvoll. Denn die Treuepflicht der Wohnungseigentümer gebietet es einerseits, Vorteile der Mehrheit nicht auf dem Rücken einzelner Wohnungseigentümer zu erwerben, andererseits, geringfügige Nachteile einzelner Wohnungseigentümer bei großem Vorteil aller hinzunehmen.
c) Subjektiver oder objektiver Maßstab?
Rz. 39
Im Ergebnis ist somit eine Abwägung vorzunehmen, ob die Vorteile der baulichen Veränderung die damit für den einzelnen Wohnungseigentümer verbundenen Nachteile wenigstens soweit aufwiegen, dass er nicht unbillig benachteiligt erscheint. Im konkreten Fall ist also zu fragen, ob etwa die Erhöhung ...