1. Grundstückserwerb durch Verwandte und Gleichgestellte, § 3 Nr. 6 GrEStG
a) Privilegierter Personenkreis
Rz. 92
Sofern im Erbfall die Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG für den Grundstückserwerb von Todes wegen nicht greift oder im Rahmen der Auseinandersetzung des Nachlasses der Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks gemäß § 3 Nr. 3 GrEStG nicht steuerbefreit ist, kommt die personenbezogene Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 6 GrEStG in Betracht. Die Steuerbefreiung gilt für sämtliche Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG, mithin etwa auch für lebzeitige Immobilienübertragungen durch Kauf oder Schenkung unter Auflage im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge.
Rz. 93
Von der Besteuerung ausgenommen ist danach der Erwerb eines Grundstücks durch Personen, die mit dem Veräußerer in gerader Linie verwandt sind, und diesen gleichgestellte Personen (als Kind angenommene Minderjährige, Stiefkinder und Ehegatten/Lebenspartner der Verwandten in gerader Linie und der Stiefkinder). Den mit dem Veräußerer in gerader Linie Verwandten sind ferner Personen gleichgestellt, deren Verwandtschaft durch die Annahme als Kind nach § 1755 BGB erloschen ist.
Rz. 94
Verwandte in gerader Linie i.S.d. §§ 1589 S. 1, 1591 ff. BGB sind insbesondere die Eltern, Kinder, Enkelkinder und Großeltern. Im Falle der Adoption muss – wie im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht (siehe § 19 Rdn 1 ff.>) – der Adoptionsbeschluss zum Zeitpunkt des Erwerbs zugestellt worden sein. Stiefkinder sind – wie im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG – den eigenen Abkömmlingen gleichgestellt, § 3 Nr. 6 S. 2 GrEStG. Pflegekinder i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 8 AO fallen nicht unter den Stiefkindbegriff.
Zu beachten ist, dass Verwandte in der Seitenlinie, also Personen die von derselben Person abstammen (§ 1589 S. 2 BGB), nicht von § 3 Nr. 6 GrEStG erfasst sind. Das gilt insbesondere für Geschwister und Nichten bzw. Neffen.
b) "Interpolation"
Rz. 95
Auch im Rahmen des § 3 Nr. 6 GrEStG kann eine Zusammenschau mit anderen Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG zu Steuerbefreiungen führen, die im Wortlaut der einzelnen Befreiungsvorschriften nicht zum Ausdruck kommen (sogenannte Interpolation). Bei dem Erwerb von Nachlassimmobilien kommen dabei z.B. folgende Konstellationen in Betracht:
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Erwirbt eine Person ein vermachtes Nachlassgrundstück direkt vom Erben und gehört diese Person im Verhältnis zu dem Vermächtnisnehmer zu dem nach § 3 Nr. 6 GrEStG begünstigten Personenkreis, ist dieser Vorgang bei interpolierender Betrachtung mit § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei. |
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Steuerfrei ist auch der unmittelbare Erwerb einer Nachlassimmobilie von der Erbengemeinschaft durch eine Person, die im Verhältnis zu einem oder mehreren Miterben zu dem nach § 3 Nr. 6 GrEStG begünstigten Personenkreis gehört. Dies ergibt sich aus interpolierender Betrachtung des § 3 Nr. 3 und § 3 Nr. 6 GrEStG. |
2. Grundstückserwerb durch Teilung des Gesamtguts der fortgesetzten Gütergemeinschaft, § 3 Nr. 7 GrEStG
Rz. 96
Der Erwerb eines zum Gesamtgut gehörigen Grundstücks durch Teilnehmer an einer fortgesetzten Gütergemeinschaft im Sinne der §§ 1483 ff. BGB zur Teilung des Gesamtguts ist gem. § 3 Nr. 7 S. 1 GrEStG von der Grunderwerbsbesteuerung ausgenommen. Den Teilnehmern an der fortgesetzten Gütergemeinschaft stehen ihre Ehegatten/Lebenspartner gleich, § 3 Nr. 7 S. 2 GrEStG.
Rz. 97
Die fortgesetzte Gütergemeinschaft wird unter anderem durch den Tod des überlebenden Ehegatten beendet, § 1494 BGB. Hieran knüpft die Auseinandersetzung über das Gesamtgut an, §§ 1498 ff. BGB. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung kann das Grundstück dann gem. § 3 Nr. 7 GrEStG an die daran beteiligten Abkömmlinge und deren Ehegatten/Lebenspartner steuerfrei veräußert werden.
Rz. 98
Zwar sind Erwerbe im Rahmen der Auseinandersetzung mit den Erben oder Miterben des verstorbenen Ehegatten/Lebenspartners gem. § 3 Nr. 3 S. 3 GrEStG steuerfrei (siehe Rdn 29>), allerdings fällt der Anteil eines verstorbenen Ehegatten/Lebenspartners am Gesamtgut einer fortgesetzten Gemeinschaft nicht in dessen Nachlass, § 1483 Abs. 1 S. 3 BGB. Daher bedarf es der besonderen Steuerbefreiung des § 3 Nr. 7 GrEStG. Tritt die fortgesetzte Gütergemeinschaft z.B. bei Ablehnung im Sinne des § 1484 BGB nicht ein, fällt der Anteil des Erstverstorbenen am Gesamtgut hingegen in den Nachlass. Im Zuge der Auseinandersetzung über das Gesamtgut bei mehreren Erben greift dann dem Grunde nach nicht die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 7 GrEStG, sondern die nach § 3 Nr. 3 GrEStG.