Rz. 35
§ 170 Abs. 2 HGB statuiert eine Ausnahme vom organschaftlichen Vertretungsverbot des Kommanditisten in § 170 Abs. 1 HGB. Sofern der einzig persönlich haftende Gesellschafter der Gesellschaft (Komplementär) eine Kapitalgesellschaft ist, an der die Gesellschaft (KG) sämtliche Anteile hält (mithin bei einer Einheits-Kapitalgesellschaft & Co. KG – bei der die KG grundsätzlich auch von der Komplementärin, und für diese handelnd ihres/ihrer Geschäftsführer vertreten wird), werden – vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung (bspw. dahingehend, "dass es der Gesellschaftsvertrag bei der Vertretung durch die Komplementäre belässt und nur für einzelne Beschlussgegenstände die Bevollmächtigung aller oder einzelner Kommanditisten durch die Komplementärin anordnet") – nach § 170 Abs. 2 HGB als Sonderregelung für die atypische KG in Gestalt der Einheits-Kapitalgesellschaft und Co. KG die Rechte in der Gesellschafterversammlung der Kapitalgesellschaft von den Kommanditisten wahrgenommen.
Beachte:
Nicht geregelt ist, ob mehrere Kommanditisten nur gesamtvertretungsbefugt sind oder ob (wie bei OHG-Gesellschaftern bzw. Komplementären) der Grundsatz der Einzelvertretung gilt: Habersack plädiert für eine Gesamtvertretungsbefugnis.
Rz. 36
Die Einheits-Kapitalgesellschaft und Co. KG ist dadurch gekennzeichnet, dass sie zugleich Alleingesellschafterin ihrer eigenen Komplementär-Kapitalgesellschaft ist (personelle Verflechtung zwischen Komplementär-Kapitalgesellschaft und KG), womit – bei wirtschaftlicher Betrachtung – die eigentlichen Gesellschafter nur noch die an der KG beteiligten Kommanditisten sind (und der Befangenheit des Geschäftsleiters) mit daraus korrespondierenden Problemen (bspw. im Kontext der Abberufung eines Geschäftsführers in einer Einheits-Kapitalgesellschaft und Co. KG, deren Komplementärin die Rechtsform einer GmbH – mithin einer Einheits-GmbH & Co. KG: Vertretung der KG in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH bei gleichzeitiger Vertretung der KG durch die Komplementär-GmbH).
Rz. 37
Nach § 170 Abs. 2 HGB obliegt – in Abkehr von dem von der Rechtsprechung bislang vertretenen Lösungsansatz – die Ausübung der Gesellschafterrechte in der Komplementär-GmbH grundsätzlich den Kommanditisten, wobei im Falle einer Personenidentität zwischen den Kommanditisten und den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH nicht ausgeschlossen ist, "dass hinsichtlich etwaiger Interessenskonflikte der Kommanditisten bei Ausübung der Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH die für sie geltenden gesetzlichen sowie die von der Rechtsprechung entwickelten Stimmverbote auf die die Gesellschafterrechte ausübenden Kommanditisten entsprechende Anwendung finden".
Rz. 38
Die Rechte in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH werden daher gemäß § 170 Abs. 2 HGB i.S.e. organschaftlichen Lösung von den Kommanditisten und nicht von der KG wahrgenommen (gesetzliche Auffanglösung entsprechend einer Empfehlung des 71. DJT).
Beachte:
Die Gesellschafter können jedoch ("vorbehaltlich einer abweichenden Regelung") für die Einheits-GmbH & Co. KG etwas Abweichendes vereinbaren (arg.: innere Angelegenheit der KG) – bspw. eine rechtsgeschäftliche Vollmachtlösung, um gezielt auf eventuelle Interessenkonflikte zu reagieren, nach der
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die Wahrnehmung der Rechte in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH in die Zuständigkeit der KG gelegt werden und gleichzeitig |
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die Kommanditisten durch die KG bevollmächtigt werden, in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH die Rechte der KG punktuell (d.h. in Bezug auf einzelne Beschlussgegenstände) wahrzunehmen. |