Dieter Trimborn van Landenberg
Rz. 53
Gerade bei hilfsbedürftigen Vollmachtgebern beschränkt sich die Tätigkeit des Bevollmächtigten regelmäßig nicht darauf, dem Vollmachtgeber das für ihn abgehobene Bargeld zu übergeben, es werden für ihn auch Bargeschäfte erledigt.
Obwohl gem. § 259 Abs. 1 BGB die Pflicht zur Vorlage einer geordneten Zusammenstellung besteht, führen die wenigsten Bevollmächtigten ein Buchungsjournal mit einem Belegordner, in dem sämtliche Belege nummeriert und chronologisch vorzufinden sind. Zugunsten des Auftraggebers und seiner Erben gilt grundsätzlich, dass der Bevollmächtigte für jede nicht belegte Bargeldverwendung geradezustehen hat.
Rz. 54
Für die Anspruchsberechnung gilt daher:
In einem ersten Schritt ist eine Aufstellung sämtlicher Bargeldbeträge seit Beginn der Tätigkeit des Bevollmächtigten zu fertigen. Hierzu gehören insbesondere:
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beim Vollmachtgeber befindliche Bargeldvorräte; diese können bei alten Menschen erheblich sein, ein Beweis ist hierüber aber meist kaum zu führen, |
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durch den Bevollmächtigten vom Girokonto und Sparbuch abgehobene Gelder und |
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durch den Bevollmächtigten für den Vollmachtgeber bar vereinnahmte Gelder, z.B. Pacht, Miete oder Erlöse aus dem Verkauf von Gegenständen. |
Rz. 55
Sodann sind den Einnahmen die belegten Ausgaben (und nur die) gegenüberzustellen. Hierbei ist zunächst darauf zu achten, dass die Belege dem Vollmachtgeber zuzuordnen sind. Es gibt einige typische Missbrauchsfälle bei Bargeschäften:
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Der bettlägerige Bevollmächtigte erhält Essen auf Rädern, gleichwohl wird ein Supermarktbeleg über den Wocheneinkauf für eine vierköpfige Familie über 150 EUR dem Vollmachtgeber als "Lebensmitteleinkauf" untergeschoben. |
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Unter den Taxiquittungen für angebliche Krankenfahrten sind einige Belege auf Feiertage und Wochenenden datiert, es handelt sich um die Discoheimfahrten der Tochter des Bevollmächtigten. |
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Es werden Gefälligkeitsquittungen ausgestellt, die unschlüssig sind. Der Nachbar erhält z.B. erst im August pauschal 200 EUR für den geleisteten Winterdienst. |
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Oft werden nachträglich Belege über hohe Barausgaben eingereicht, die schon deshalb nicht passen können, weil nach dem Stand der Entnahme der Vollmachtgeber in dem Zeitpunkt gar nicht über so viel Geld verfügt haben kann. |
Rz. 56
Aus der Differenz zwischen verfügbarem Bargeld und belegten Ausgaben kann dann der Rückforderungsbetrag gegen den Bevollmächtigten errechnet werden. Kann der Bevollmächtigte nur wenige Ausgaben belegen, können hier erhebliche Summen in Rede stehen. Ob dann eine Rückforderung in ganzer Höhe sachlich gerechtfertigt erscheint, ist eine Frage, die mit dem Mandanten erörtert werden sollte. Hier wird man im Einzelfall entscheiden müssen, ob man erst einmal alles verlangt und sich Verhandlungsspielraum verschafft oder als Zeichen des guten Willens einen Teil erlässt. Das Beweisproblem hat allerdings immer der Bevollmächtigte (siehe Rdn 158 ff.).
Rz. 57
Hinweis
Im Rahmen von Barverfügungen lohnt es sich regelmäßig nicht, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, wenn fühlbar ist, dass der Bevollmächtigte sich vom monatlichen Haushaltsgeld geringe Beträge für sich abgezweigt hat. Ganz anders sieht es aus, wenn in unregelmäßigen Abständen höhere Bargeldsummen abgehoben wurden. Umfangreiche Barverfügungen sind fast immer ein Indiz für Vollmachtsmissbrauch.
Rz. 58
Bargeschäfte des Bevollmächtigten können aber auch Schadensersatzansprüche auslösen, wenn zum Nachteil des Vollmachtgebers über dessen Vermögen verfügt wird.
Rz. 59
Beispiel
Der Bevollmächtigte B löst nach Umzug des Vollmachtgebers in eine Wohngruppe für Demenzkranke dessen gekündigte Mietwohnung auf. Ohne anderweitig die Werthaltigkeit des Hausrats prüfen zu lassen, verkauft B dem Haushaltsauflöser H die bewegliche Habe für 1.000 EUR in bar. Im Gegenzug verpflichtet sich H, die Wohnung vollständig leer zu räumen und die anfallenden Entsorgungskosten zu übernehmen. Später stellt sich heraus, dass zum Hausrat eine Sammlung wertvoller Porzellanfiguren gehörte, die H über ein Auktionshaus für 20.000 EUR veräußern konnte.
Rz. 60
Aus der Vermögensbetreuungspflicht des Auftragnehmers folgt, dass er dem Auftraggeber für Vermögensschaden haftet, die er zu vertreten hat. Hier hätte B sich zumindest bei einem Antiquitätenhändler erkundigen können, welchen Wert die Porzellanfiguren hatten. In der Praxis begegnen diese Ansprüche immer Beweisschwierigkeiten. Andererseits kann die Heranziehung zu Schadenersatz ein Hilfsargument sein, wenn der Bevollmächtigte an ihm nahe stehende Personen Sachen unter Preis verkauft (oder nur ein Teil des Kaufpreises im Vertrag aufgeführt wird).