Dieter Trimborn van Landenberg
Rz. 167
Es gibt zudem noch eine prozessuale Möglichkeit, mit der sich ein redlicher Bevollmächtigter vom Vorwurf, er habe vereinnahmte Gelder nicht ausgekehrt, entlasten kann:
Da Streitigkeiten um den richtigen Gebrauch der Vollmacht überwiegend familiäre Streitigkeiten sind, neigen viele Gerichte dazu, einen frühen ersten Temin zu bestimmen, zu dem das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet wird. Zur Sachaufklärung wird in aller Regel die Anhörung der Parteien gem. § 141 ZPO durchgeführt. Nicht jedem ist bekannt, dass die Aussagen der Parteien im Rahmen der Beweiswürdigung wie ein förmliches Beweismittel zu berücksichtigen sind.
Hinweis
Als Vertreter des Bevollmächtigten sollten Sie sich mit dem Mandanten eingehend auf den Termin vorbereiten und dafür sorgen, dass er ruhig und stimmig auf die Fragen des Gerichts antwortet. Dazu ist es hilfreich, sich kurz vor dem Termin nochmals zu treffen und die Prozessakte durchzugehen. Dies nimmt dem Mandanten auch die Nervosität.
Rz. 168
Es kann darüber hinaus auch die Vernehmung der Partei gem. § 448 ZPO ohne Rücksicht auf die Beweislast vom Gericht angeordnet werden, wenn nach Überzeugung des Gerichts anderweitige Beweismittel nicht zur Verfügung stehen, um die Wahrheit oder Unwahrheit der zu erweisenden Tatsache zu beweisen.
Hinweis
Schon in der Klageerwiderung sollte die Parteivernehmung gem. § 448 ZPO, hilfsweise die Anhörung gem. § 141 ZPO beantragt werden. Wird beides im Termin abgelehnt, empfiehlt sich eine im Protokoll festzuhaltende Rüge, um der Annahme eines Verzichts auf die Beweismittel vorzubeugen. Eine Ablehnung wäre ein in der Berufung zu rügender Verfahrensfehler.
Rz. 169
Der Zweck dieser teilweise auch bei Richtern wenig bekannten Norm liegt darin, dass das Gericht ein Mittel zur Gewinnung letzter Klarheit in den Fällen braucht, in denen die Parteien selbst die engsten, wenn nicht einzigen Wissensträger sind und die Nutzbarkeit dieses Wissens sonst an den starren Regeln der §§ 445, 447 ZPO scheitern würde. Die Parteivernehmung gem. § 448 ZPO steht unter drei Voraussetzungen:
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das Gericht muss zunächst alle angebotenen, zulässigen und erheblichen Beweise erhoben haben, |
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die Würdigung des bisherigen Verhandlungsergebnisses darf noch keine Überzeugung des Gerichts begründet haben, und |
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es muss für die Richtigkeit der Behauptung schon einiges sprechen, ein sog. Anfangsbeweis erbracht worden sein. |
Rz. 170
Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung des Gerichts, weshalb es taktisch unklug wäre, als Beklagtenvertreter die Vernehmung der Beklagten als Partei in ein Beweisangebot zu kleiden. Stattdessen ist bei Gericht unter Darlegung der besonderen Situation nur anzuregen, die Beklagte als Partei nicht zuletzt aus Gründen der Waffengleichheit zu vernehmen.
Vor dem Hintergrund, dass eine Parteivernehmung wie eine Zeugenaussage zu würdigen ist, kann man sich notfalls mit einer ausführlichen Anhörung nach § 141 begnügen; die Anregung, dass der Beklagte das gleiche auch unter Eid aussagen würde, wäre quasi ein Turbolader der Wahrhaftigkeit.
Rz. 171
In einer solchen Situation kann es auch hilfreich sein, das Gericht auf den Grundsatz der Waffengleichheit hinzuweisen, zu dem der BGH zuletzt im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses folgendes klargestellt hat:
Zitat
Der Grundsatz der Waffengleichheit, der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf Gewährleistung eines fairen Prozesses und eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordern gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK, dass einer Partei, die – wie die Beklagten – für ein Vier-Augen-Gespräch keinen Zeugen hat, Gelegenheit gegeben wird, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozess persönlich einzubringen. Zu diesem Zweck ist die Partei gemäß § 448 ZPO zu vernehmen oder gemäß § 141 ZPO anzuhören.
Diese Grundsätze gelten auch, wenn es sich – wie hier – um ein Sechs-Augen-Gespräch handelt, bei dem der allein zur Verfügung stehende Zeuge als Ehemann im Lager der Prozessgegnerin steht“
Eine Parteiaussage ist also nicht schon deshalb wertlos, weil ein formal unbeteiligter Zeuge ebenfalls anwesend war. In Fällen des behaupteten Vollmachtsmissbrauchs wird diese Konstellation nicht selten sein.
So handelt ein Gericht z.B. verfahrensfehlerhaft, wenn es im Prozess um die Kollision zweier Kfz die Mitfahrenden aus einem der Fahrzeuge als Zeugen vernimmt, den Unfallgegner jedoch, der keine Zeugen benennen kann, zu seinem abweichenden Vorbringen nicht hört.
Rz. 172
Eine gewisse Lebenserfahrung darf man auch Gerichten zubilligen, die sich nicht ohne Weiteres von Indiztatsachen und dem Angebot einer Parteivernehmung überzeugen lassen.
Rz. 173
Beispiel
Vom Konto seiner bettlägerigen Mutter hebt der Sohn innerhalb von fünf Wochen in vier Teilbeträgen insgesamt 13.000 EUR ab. Nach dem Tod verweigert er die Herausgabe an die Erbengemeinschaft mit der Begründung, er habe der Mutter das Geld übergeben.
Rz. 174
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