Dieter Trimborn van Landenberg
Rz. 50
Es kann im Einzelfall sehr zeitintensiv und aufwändig sein, halbwegs genaue Feststellungen über die Vertretergeschäfte zu treffen. Dies hängt nicht nur davon ab, über welchen Zeitraum und wie viele Konten verfügt wurde, auch die mehr oder weniger kooperative Zuarbeit des Bevollmächtigten ist ein entscheidender Faktor. Erfahrungsgemäß lassen sich Vertreter entweder in die Kategorien "Buchhalter" oder "Chaot" einordnen.
Nur in ganz seltenen Fällen sind es die ordnungsliebenden Menschen, die mit Vollmachten Schindluder treiben. Wer in Geldsachen korrekt Buch führt, genießt in aller Regel auch einen Vertrauensvorschuss, wenngleich damit nicht der Anscheinsbeweis für die Rechtstreue erbracht ist. Zumindest kann man diesen Bevollmächtigten Verfehlungen relativ leicht nachweisen.
Rz. 51
Ganz anders sieht es bei denen aus, die ihre mangelnde Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten zum Maß der Dinge ihres Vertreterhandelns erheben. Ältere Menschen begehen oft den Fehler, dass sie Familienangehörigen oder Freunden eine Vollmacht nur deshalb erteilen, weil sie ihnen vertrauen. Ob die Vorsorgebevollmächtigten dann der Aufgabe charakterlich und intellektuell gewachsen sind, wird so gut wie nie hinterfragt. Weil aber Personen mit ausgeprägter Sozialkompetenz nicht immer die großen Zahlenmenschen sind, geraten viele Bevollmächtigte später ins Zwielicht. Es ist auch zu beobachten, dass Menschen, die keine Ordnung halten, überdurchschnittlich häufig Geldprobleme haben, was ein gewichtiges Motiv für eigennützige Verfügungen sein kann.
Der Rechtsanwalt der Erben des Vollmachtgebers steht dann vor der undankbaren Aufgabe, aus den teils bruchstückhaften Informationen, die vom Bevollmächtigten oder Dritten geliefert wurden, Ansprüche zu ermitteln. Worauf hier im Einzelnen zu achten ist, soll nachfolgend beleuchtet werden.
Rz. 52
Hinweis
Je nach Umfang der vorliegenden Informationen über das Vertreterhandeln sollte mit dem Mandanten die Aufgabenteilung besprochen werden. Es kann hilfreich sein, den Mandanten in der Form Vorarbeit leisten zu lassen, dass er zunächst selbst sämtliche Unterlagen durchsieht und eine eigene Aufstellung der Rückforderungsansprüche fertigt. Dies hat den Vorteil, dass der Mandant sein eigenes Hintergrundwissen einbringen kann und außerdem einen ersten Anhaltspunkt über die Höhe seiner Ansprüche gewinnen kann. Dies entbindet den Rechtsanwalt allerdings nicht von der Pflicht, selbst nochmals alle Unterlagen durchzusehen und die Aufstellung auf rechnerische Richtigkeit und rechtliche Tragfähigkeit zu überprüfen.
Soweit der Mandant keine Zuarbeit in dieser Form leisten kann oder will, ist auf jeden Fall über eine zeitabhängige Vergütung des Rechtsanwalts zu sprechen. Stellt sich nämlich nach aufwändiger Prüfung heraus, dass gegen den Bevollmächtigten keine oder nur geringe Ansprüche bestehen, stünde die vom Gegenstandswert abhängige gesetzliche Vergütung in keinem Verhältnis zur geleisteten Arbeit.
Bei umfangreichen Verfügungen sollte die Berechnung des Rückforderungsbetrags unter Berücksichtigung der Ein- und Ausgaben aus einer Excel-Tabelle erfolgen, die man per E-Mail auch an den gegnerischen Kollegen versenden kann.
1. Bargeschäfte
Rz. 53
Gerade bei hilfsbedürftigen Vollmachtgebern beschränkt sich die Tätigkeit des Bevollmächtigten regelmäßig nicht darauf, dem Vollmachtgeber das für ihn abgehobene Bargeld zu übergeben, es werden für ihn auch Bargeschäfte erledigt.
Obwohl gem. § 259 Abs. 1 BGB die Pflicht zur Vorlage einer geordneten Zusammenstellung besteht, führen die wenigsten Bevollmächtigten ein Buchungsjournal mit einem Belegordner, in dem sämtliche Belege nummeriert und chronologisch vorzufinden sind. Zugunsten des Auftraggebers und seiner Erben gilt grundsätzlich, dass der Bevollmächtigte für jede nicht belegte Bargeldverwendung geradezustehen hat.
Rz. 54
Für die Anspruchsberechnung gilt daher:
In einem ersten Schritt ist eine Aufstellung sämtlicher Bargeldbeträge seit Beginn der Tätigkeit des Bevollmächtigten zu fertigen. Hierzu gehören insbesondere:
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beim Vollmachtgeber befindliche Bargeldvorräte; diese können bei alten Menschen erheblich sein, ein Beweis ist hierüber aber meist kaum zu führen, |
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durch den Bevollmächtigten vom Girokonto und Sparbuch abgehobene Gelder und |
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durch den Bevollmächtigten für den Vollmachtgeber bar vereinnahmte Gelder, z.B. Pacht, Miete oder Erlöse aus dem Verkauf von Gegenständen. |
Rz. 55
Sodann sind den Einnahmen die belegten Ausgaben (und nur die) gegenüberzustellen. Hierbei ist zunächst darauf zu achten, dass die Belege dem Vollmachtgeber zuzuordnen sind. Es gibt einige typische Missbrauchsfälle bei Bargeschäften:
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Der bettlägerige Bevollmächtigte erhält Essen auf Rädern, gleichwohl wird ein Supermarktbeleg über den Wocheneinkauf für eine vierköpfige Familie über 150 EUR dem Vollmachtgeber als "Lebensmitteleinkauf" untergeschoben. |
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Unter den Taxiquittungen für angebliche Krankenfahrten sind einige Belege auf Feiertage und Wochenenden datiert, es handelt sich um die Discoheimfahrten der T... |