Dieter Trimborn van Landenberg
1. Allgemeines
Rz. 80
Im Rahmen einer Vorsorgevollmacht erstreckt sich die Pflicht zur Vermögenssorge auch auf die beweglichen und unbeweglichen Sachen des Vollmachtgebers. Je nach Dauer der Bevollmächtigung ändert sich das Sachvermögen in seinem Bestand. Daher ist der Bevollmächtigte auch verpflichtet, dem Vollmachtgeber bzw. seinen Erben ein Bestandsverzeichnis auch über das Sachvermögen vorzulegen, auf dessen Grundlage die Herausgabe von Sachen gefordert werden kann. In der Praxis ist zu beobachten, dass gerade bei beweglichen Sachen im Besitz des Bevollmächtigten viele Probleme auftauchen, die eine Realisierung des Anspruchs für die Erben erschweren:
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Der Bestand von Hausrat und Wertgegenständen ist zu Beginn der Bevollmächtigung so gut wie nie dokumentiert. Auch vom Bevollmächtigten für den Vollmachtgeber erworbene Sachen sind herauszugeben. Das Herausgabeverlangen steht daher immer im Zeichen von erheblichen Beweisproblemen. |
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Wenn Sachen aus der Wohnung des Vollmachtgebers "verschwinden", ist dafür nicht automatisch der Bevollmächtigte verantwortlich. Möglicherweise hat der Vollmachtgeber selbst über Sachen verfügt oder Dritte, die Zutritt zu seiner Wohnung hatten, haben die Sachen entwendet. |
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Ist der Bevollmächtigte im Besitz der Sachen, wird er möglicherweise einwenden, dass der Vollmachtgeber ihm die Sachen geschenkt hat. |
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Im Einzelfall kann es für die Erben schwierig sein, die herauszugebenden Sachen so genau zu beschreiben, so dass man notfalls kaum einen Klageantrag mit vollstreckungsfähigem Inhalt formulieren kann. |
Rz. 81
Der Bevollmächtigte verfügt in der Regel nicht nur über das Geldvermögen, er kann zudem auch über die bewegliche Habe und – mit einer notariellen Vollmacht – über die Immobilien des Vollmachtgebers verfügen. Bei einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung an Dritte steht dem Vollmachtgeber bzw. seinen Erben nur das aus der Veräußerung erlangte Geld zu. Hat der Bevollmächtigte Sachen unter Preis verkauft oder ohne beweisbaren Auftrag an Dritte verschenkt, sind statt der Herausgabe Haftungsansprüche zu prüfen.
2. Herausgabe von Sachen im Eigentum des Vollmachtgebers
Rz. 82
An Sachen, die der Bevollmächtigte im Besitz hat, kann der Vollmachtgeber nach folgenden Anspruchsgrundlagen die Herausgabe verlangen:
Sind dem Bevollmächtigten Sachen zur Ausführung des Auftrags überlassen worden, sind diese gem. § 667 BGB herauszugeben. Außerdem steht dem Vollmachtgeber der Eigentumsanspruch aus § 985 BGB zur Seite.
Rz. 83
Soweit der Bevollmächtigte gegenüber den Erben des Vollmachtgebers sein Recht zum Besitz aus einem nicht bestehenden Erbrecht ableitet, sind Ansprüche gegen ihn als Erbschaftsbesitzer gem. §§ 2018 ff. BGB zu prüfen. In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass Bevollmächtigte ihre Nähe zum Vollmachtgeber nutzen, um ihn zu letztwilligen Verfügungen zu veranlassen, deren Wirksamkeit fraglich ist.
Rz. 84
Beispiel
Der Bevollmächtigte verweigert die Herausgabe des Pkw des verstorbenen Vollmachtgebers mit der Begründung, der Pkw sei ihm vermacht worden. Zum Nachweis legt er ein kaum leserliches eigenhändiges Testament vor, das aufgrund der nachgewiesenen Testierunfähigkeit des Vollmachtgebers unwirksam ist.
Rz. 85
Überaus häufig ist auch der Fall, dass der Bevollmächtigte Wertsachen des Vollmachtgebers an sich nimmt, wenn dieser ins Heim zieht. Ob dies nur zur sichernden Verwahrung erfolgte oder eine Handschenkung des Vollmachtgebers war, die der Bevollmächtigte sich selbst erfüllen durfte, damit verbunden war, ist im Nachhinein oft streitig.
3. Herausgabe von Sachen, die der Bevollmächtigte erworben hat
Rz. 86
Der Vollmachtgeber kann vom Bevollmächtigten gem. § 667 BGB alle Sachen herausverlangen, die er in Ausführung des Auftrags erlangt hat.
Rz. 87
Beispiel
Der Bevollmächtigte hat den gebrechlichen Vollmachtgeber bei sich in seiner Wohnung aufgenommen und auf dessen Kosten ein Krankenbett angeschafft. Nach dem Tod des Vollmachtgebers können die Erben die Herausgabe des Krankenbetts verlangen.
Rz. 88
Hat sich der Bevollmächtigte in Ausübung der Vollmacht selbst Sachen übereignet, steht dem Vollmachtgeber bzw. seinen Erben zumindest ein Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. §§ 812 ff. BGB zu.
Rz. 89
Beispiel
Der Bevollmächtigte B ist mit einer notariellen Vorsorgevollmacht ausgestattet, die ihm auch Geschäfte mit sich selbst erlaubt. Er nutzt diese Vollmacht, indem er das Haus des Vollmachtgebers auf sich überträgt.
Rz. 90
Auch, wenn das Insichgeschäft erkennbar sittenwidrig war, erstreckt sich die Nichtigkeit nicht automatisch auf das Verfügungsgeschäft. Es wäre insoweit falsch, einen Herausgabeanspruch gem. § 985 BGB geltend zu machen.
Rz. 91
Anders liegt der Fall, wenn der Bevollmächtigte vorträgt, der Vollmachtgeber habe ihm die Sache persönlich übereignet, und sich später herausstellt, dass der Vollmachtgeber nicht mehr geschäftsfähig war. Dann ist auch das Verfügungsgeschäft unwirksam. Im Falle einer Grundstücksübertragung besteht dann ein unmittelbarer Anspruch auf Grundbuchberichtigung.