Dieter Trimborn van Landenberg
Rz. 36
Auch bei einem offensichtlichen Missbrauch der Vertretungsmacht muss der Vertretene das Geschäft seines Bevollmächtigten nicht gegen sich gelten lassen.
Rz. 37
Beispiel
Witwe W erfährt im Gespräch mit Ihrem Nachbarn N von glänzenden Geldanlagen in Luxemburg, die dieser ihr vermitteln kann. Hierzu bräuchte er allerdings mindestens 100.000 EUR in bar, die er bei nächster Gelegenheit vor Ort einzahlen werde. W erteilt N eine Vollmacht über ihr Sparkonto bei der B-Bank, damit N das Geld kurz vor seiner nächsten Fahrt nach Luxemburg abheben könne. Kurz darauf hebt N 100.000 EUR ab, die er aber zur Tilgung eigener Darlehen bei der B-Bank verwendet. Nachdem der Schwindel aufgeflogen ist, will W das Geld von der B-Bank haben, weil N inzwischen vermögenslos ist.
Rz. 38
Grundsätzlich trägt der Vertreter das Risiko des Vollmachtsmissbrauchs, den Vertragspartner trifft keine generelle Prüfungspflicht, ob und inwieweit der Bevollmächtigte im Innenverhältnis gebunden ist. In Bezug auf die Sorgfaltspflichten der Banken stellt der BGH hierzu klar:
Zitat
"Grundsätzlich obliegen den am Überweisungsverkehr beteiligten Banken keine Warn- und Schutzpflichten gegenüber den Überweisenden und Zahlungsempfängern. Die Banken werden hier nur zum Zwecke eines technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Zahlungsverkehrs tätig und haben sich schon wegen dieses begrenzten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge grundsätzlich nicht um die beteiligten Interessen ihrer Kunden zu kümmern. Sie müssen sich vielmehr streng innerhalb der Grenzen des ihnen erteilten formalen Auftrags halten."
Rz. 39
Etwas anderes gilt nur bei offensichtlichem Missbrauch. So gibt es u.U. eine Warnpflicht der Bank, die beim Vollmachtsexzess nicht tatenlos zuschauen darf, da ansonsten Schadensersatzansprüche bestehen. Der BGH hat diese Grundsätze in einem viel diskutierten Urteil unlängst herausgearbeitet. In dem Fall ging es darum, dass Kunden einer Bank auf ein Treuhandkonto desselben Instituts Gelder eingezahlt hatten, die der Treuhänder größtenteils bar abhob und veruntreute. Der BGH führt hierzu aus:
Zitat
Vertragsparteien haben sich bei der Abwicklung eines Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass die Rechtsgüter, auch das Vermögen, des anderen Teils nicht verletzt werden. Aus einem Girovertrag ergibt sich für ein Kreditinstitut die Schutzpflicht, die Interessen seines Kunden zu wahren. Im bargeldlosen Zahlungsverkehr werden Kreditinstitute zwar nur zum Zweck der technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Abwicklung tätig und haben sich schon wegen dieses begrenzten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge grundsätzlich nicht um die beteiligten Interessen ihrer Kunden zu kümmern.
In Ausnahmefällen können aber Warn- und Hinweispflichten der Kreditinstitute zum Schutz ihrer Kunden vor drohenden Schäden bestehen Eine solche Pflicht ist im Überweisungsverkehr anzunehmen, wenn der Überweisungsbank der ersichtlich unmittelbar bevorstehende wirtschaftliche Zusammenbruch des Überweisungsempfängers oder der Empfängerbank bekannt ist, wenn unklar ist, ob die erteilte Weisung fortbesteht oder wenn sich der Verdacht des Missbrauchs der Vertretungsmacht aufdrängen muss. Im Lastschriftverkehr bestehen entsprechende Warnpflichten. Auch im Scheckverkehr werden, jedenfalls bei erkennbar strafbaren Handlungen des Scheckeinreichers gegenüber dem Aussteller, Warnpflichten angenommen.
Nach diesen Grundsätzen hat ein Kreditinstitut, das aufgrund massiver Anhaltspunkte den Verdacht hegt, dass ein Kunde bei der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch eine Straftat einen anderen schädigen will, diesem gegenüber eine Warnpflicht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Täter in einer dem Missbrauch der Vertretungsmacht vergleichbaren Weise als mittelbarer Stellvertreter des zu warnenden Kunden handelt. Eine Bank, die weiß, dass der Inhaber eines bei ihr geführten Girokontos darauf eingehende Zahlungen für fremde Rechnung anzulegen hat, und die aufgrund massiver Verdachtsmomente argwöhnt, der Kontoinhaber veruntreue die Gelder, hat jedenfalls dann eine Warnpflicht, wenn der Kontoinhaber auf einen entsprechenden Vorhalt den Verdacht nicht ausräumen kann. Unter diesen Umständen besteht die Warnpflicht nicht nur, wenn die Veruntreuung der Bank bekannt ist, sondern auch wenn sie aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist.
Rz. 40
Im Ausgangsbeispiel (siehe Rdn 37) hat der BGH diese objektive Evidenz bejaht mit der Konsequenz, dass an den Vertreter nicht mit befreiender Wirkung geleistet werden konnte und das Sparguthaben wieder gutzuschreiben war. Die Bank konnte also ihr Kreditausfallrisiko bei N nicht mittels der leichtfertig erteilten Vollmacht aus der Welt schaffen.
Dieser Extremfall soll aber nicht zu der Annahme verleiten, dass jede erkennbar eigennützige Verwendung zu einer Haftung der Bank führt.
Rz. 41
Beispiel
Sohn S, der seit Jahren für die Mutter M deren Wertpapierdepot durch An- und Verkäufe führt...