Rz. 428
Wenn die Ehegatten getrennt sind, seit dem Tag der Trennung aber noch nicht ein Jahr verstrichen ist, ist gemäß § 1565 Abs. 2 BGB eine Scheidung nur dann möglich, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Tatbestandsvoraussetzungen für eine solche Härtefallscheidung sind demnach, dass die Ehe der Beteiligten zerrüttet ist und zusätzlich eine unzumutbare Härte vorliegt. Die unzumutbare Härte folgt dabei weder bereits aus dem Scheitern der Ehe an sich noch aus den dazu führenden Umständen. Es ist vielmehr darauf abzustellen, dass es für den Antragsteller nicht mehr erträglich sein darf, an den Antragsgegner weiterhin als Ehepartner gebunden zu sein. Für die Beurteilung dessen ist aber nicht auf die subjektive Sicht des Beantragenden abzustellen, sondern auf diejenige eines objektiven Dritten.
Rz. 429
Ein Härtefall kann beispielsweise vorliegen, wenn die scheidungswillige Ehefrau vor Ablauf des Trennungsjahres von einem anderen Mann ein Kind erwartet. Denkbar ist auch der Fall, dass in der Ehe schwere Misshandlungen festgestellt werden können.
Praxistipp
Im Einzelnen ist in der Rechtsprechung die unzumutbare Härte in folgenden Fällen anerkannt worden:
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Ein Ehegatte unterhält ein ehebrecherisches Verhältnis in der vormaligen ehelichen Wohnung. |
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Ein Ehegatte geht eine neue feste Partnerschaft ein, wobei es hier auf die Begleitumstände ankommt und für die Unzumutbarkeit erforderlich ist, dass der betrogene Ehegatte etwa gegenüber den Eltern oder der Nachbarschaft besonders gedemütigt wird. |
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Die Ehefrau nimmt ohne die Zustimmung des Ehemannes eine Tätigkeit als Prostituierte auf. |
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Die Aufforderung zum Geschlechtsverkehr zu dritt, nachdem ein ehebrecherisches Verhältnis aufgedeckt worden ist. |
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Kurz nach der Geburt des gemeinsamen Kindes verlässt der Ehemann die Ehefrau, um mit einer anderen Frau zusammenzuleben. |
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Schwere Beleidigungen und grobe Ehrverletzungen. |
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Trunksucht und häufige Alkoholexzesse, insbesondere verbunden mit Drohungen durch den gewalttätigen Ehemann. |
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Geschlechtsverkehr mit der Stieftochter. |
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Der Ehegatte befindet sich wegen des Vorwurfs, die Eltern des anderen getötet zu haben, in Untersuchungshaft. |
In folgenden Fällen ist die unzumutbare Härte verneint worden:
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Ablehnung der Ehe durch den Ehepartner. |
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Aufnahme einer geschlechtlichen Beziehung durch einen Ehegatten. |
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Ein Ehegatte erhält nach der Eheschließung Kenntnis vom wahren Grund der Verbüßung einer langjährigen Haftstrafe durch den anderen. |
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Ein Ermittlungsverfahren wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften wird gemäß § 153a StPO eingestellt. |
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Der Ehebruch als solcher. |
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Die Verletzung von Unterhaltspflichten. |
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Das Aussperren des Ehegatten aus der gemeinsamen Wohnung, jedenfalls dann, wenn dieser alsbald eine Ersatzwohnung gefunden hat. |
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Die Schließung der Ehe aus sachfremden Motiven. |
Rz. 430
Die Darlegungs- und Beweislast für alle Voraussetzungen des § 1565 Abs. 2 BGB trifft den Antragsteller. Das gilt auch für die Voraussetzung, dass die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt leben.
Rz. 431
Ein zwischenzeitlicher Versöhnungsversuch schließt eine unzumutbare Härte nicht aus. Will ein Ehegatte gegen eine Härtefallscheidung Beschwerde einlegen, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis nur, wenn er darlegen und beweisen kann, dass ihm an einer Fortsetzung der Ehe gelegen ist.
Rz. 432
Hinweis
Sind die Ehegatten weniger als ein Jahr getrennt, wollen sich aber trotzdem scheiden lassen, muss neben dem Tatbestandsmerkmal des "Gescheitertseins" eine unzumutbare Härte vorliegen.
Eine unzumutbare Härte liegt vor, wenn es für den Antragsteller unerträglich ist, noch länger an das äußere Band der Ehe mit dem Antragsgegner gebunden zu sein.
Ob eine unzumutbare Härte vorliegt oder nicht, wird nicht aus Sicht desjenigen beurteilt, der sich darauf beruft, sondern anhand objektiver Gesichtspunkte.