Rz. 478
Wird ein Scheidungsantrag vor Ablauf des Trennungsjahres bei Gericht eingereicht, ohne dass es sich um einen Härtefall handelt, liegt ein "verfrühter Scheidungsantrag" vor. Dieser Antrag ist unbegründet. Das Gericht hat eigentlich zwingend und umgehend einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen, um eine möglichst frühzeitige Abweisung des unbegründeten Scheidungsantrags zu erreichen. Ist allerdings zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Trennungsjahr bereits abgelaufen ist, obwohl der Scheidungsantrag zunächst verfrüht gestellt worden war, ist eine Abweisung des Antrags wegen Unbegründetheit nicht mehr möglich. Als Folge ist Stichtag, zum Beispiel für die Berechnung des Zugewinnausgleichs, wie üblich, der Tag der Zustellung an den Antragsgegner.
Rz. 479
Diese verfahrensrechtliche Möglichkeit beinhaltet die Gefahr von Manipulationen der Stichtage. Denn ein verfrüht gestellter Scheidungsantrag ist allein noch kein hinreichender Grund, den Stichtag für die Berechnung des Endvermögens zu verschieben. Ist zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung trotz des verfrüht gestellten Antrags das Trennungsjahr abgelaufen, sollte deshalb darauf geachtet werden, dass der verfrühte Zeitpunkt im Protokoll aufgenommen wird. Und hinsichtlich der Entscheidungen in den Folgesachen ist gegebenenfalls schriftsätzlich darauf hinzuwirken, dass im Rahmen der Billigkeit die Stichtage entsprechend angepasst werden. In dem umgekehrten Fall, dass der Scheidungsantrag verfrüht eingereicht wird, das Trennungsjahr vor Beendigung der mündlichen Verhandlung verstrichen ist und der Scheidungsantrag trotz des zwischenzeitlichen Ablaufs des Trennungsjahres als unbegründet zurückgewiesen wird, kann der Antragsteller gegen diesen Zurückweisungsbeschluss Beschwerde beim Oberlandesgericht einzulegen.
Rz. 480
Wurde der Scheidungsantrag (rechtmäßig) erstinstanzlich wegen Nichteinhaltung des Trennungsjahres abgewiesen, läuft das Trennungsjahr dann aber während eines sich anschließenden Beschwerdeverfahrens ab, so wird der erstinstanzliche Beschluss aufgehoben, § 146 Abs. 1 FamFG und die Sache zur Wiederherstellung des Verbundes zurückverwiesen. Denn die Entscheidungsgrundlage des Beschwerdegerichts beurteilt sich nach dem zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegenden Sachstand. Da der Obsiegende aber nur deshalb in der Beschwerdeinstanz unterliegt, weil zwischenzeitlich das Trennungsjahr abgelaufen ist, können ihm in entsprechender Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.
Rz. 481
Die Scheidung hingegen wird von dem Beschwerdegericht nicht ausgesprochen, zumal die Verbundsachen dort noch gar nicht anhängig waren. Das hat zur Folge, dass die Scheidung erst nach Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht in dem dort dann wieder aufgenommenen Verfahren ausgesprochen werden kann. Das ändert aber nichts an dem Entstehen der Stichtage zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags.
Rz. 482
Hinweis
Ein Scheidungsantrag wurde verfrüht eingereicht, wenn er vor Ablauf des Trennungsjahres und ohne Vorliegen eines Härtefalles bei Gericht eingereicht wurde.
Dieser Scheidungsantrag ist als unbegründet zurückzuweisen.
Läuft das Trennungsjahr nach Zustellung des Scheidungsantrags, aber vor der von dem Gericht anzuberaumenden mündlichen Verhandlung ab, kann der Scheidungsantrag nicht mehr als unbegründet zurückgewiesen werden. Es muss aber darauf hingewirkt werden, dass die entsprechende Verfahrensgeschichte im Protokoll aufgenommen wird.