Rz. 562

Grundsätzlich sind die Ehegatten nach der Scheidung selbst dafür verantwortlich, für ihren Unterhalt zu sorgen, § 1569 S. 1 BGB. Wenn aber die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 1570 bis 1576 BGB erfüllt sind, kann ein Unterhaltsschuldverhältnis zwischen den Ehegatten bestehen, also ein Anspruch des einen Ehegatten gegen den anderen auf Zahlung von Unterhalt auch nach Rechtskraft der Scheidung entstehen.[458]

 

Rz. 563

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Unterhaltstatbestände:

Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes (§ 1570 BGB);
Unterhaltsanspruch wegen Alters (§ 1571 BGB);
Unterhaltsanspruch wegen Krankheit oder Gebrechen (§ 1572 BGB);
Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit bzw. Anspruch auf Aufstockungsunterhalt (§ 1573 BGB);
Unterhaltsanspruch wegen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung (§ 1575 BGB);
Unterhaltsanspruch aus Billigkeit (§ 1576 BGB).
 

Rz. 564

Im Rahmen dieser Unterhaltstatbestände sind die Anspruchsgrundlagen der §§ 1570 bis 1572 BGB vorrangig, während diejenigen der §§ 1573 und 1576 BGB subsidiär sind.[459] Das bedeutet, dass ein Anspruch wegen Erwerbslosigkeit bzw. Aufstockung oder aus Billigkeit von vornherein dann nicht in Betracht kommt, wenn ein Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines gemeinsamen Kindes, wegen Alters oder wegen Krankheit oder Gebrechen besteht.

 

Rz. 565

Bei dem Unterhaltsanspruch aus § 1575 BGB handelt es sich hingegen um einen Sondertatbestand. Dieser Anspruch soll eine berufliche Verbesserung des jeweiligen Ehegatten ermöglichen, die ohne die Ehe schon früher erreicht worden wäre. Letztlich dient dies dem Entstehen der wirtschaftlichen Selbstständigkeit des jeweiligen Ehegatten.[460] Außerdem ist der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt von vornherein zeitlich begrenzt auf die übliche Dauer einer Ausbildung.[461] Und zu beachten ist außerdem noch, dass ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt demjenigen auf Unterhaltszahlungen wegen Erwerbslosigkeit oder Aufstockung vorgeht.[462]

 

Rz. 566

 

Hinweis

Grundsätzlich ist jeder Ehegatte nach Scheidung der Ehe selbst für sein wirtschaftliches Wohlergehen verantwortlich.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur bei Eingreifen der Unterhaltstatbestände nach §§ 1570 ff. BGB.

[458] Palandt/Brudermüller, § 1569 BGB Rn 2; PWW/Kleffmann, § 1569 BGB Rn 3.
[459] BGH FamRZ 1999, 708.
[460] Palandt/Brudermüller, § 1575 BGB Rn 1; FAKomm-FamR/Uecker, § 1575 BGB Rn 3.
[461] FAKomm-FamR/Uecker, § 1575 BGB Rn 10.
[462] PWW/Kleffmann, § 1575 BGB Rn 10.

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