Rz. 396
Gerade in Scheidungssachen ist oft die erste Frage nach den voraussichtlich anfallenden Kosten, die nie pauschal beantwortet werden kann. Das hängt zum größten Teil von dem Umfang der erteilten Vollmacht ab. Erstreckt sich diese auf die Folgesachen, dann erhöht sich der Verfahrenswert mit Auswirkung auf die Höhe der Kosten. Maßgeblich für die Berechnung der anfallenden Kosten ist der Gegenstandswert, § 2 Abs. 1 RVG. Die Höhe des Gegenstandswertes wird wiederum anhand der Vorschriften des FamGKG ermittelt, § 23 Abs. 1 RVG.
1. Verfahrenswert Scheidung
Rz. 397
Bei einem Scheidungsverfahren handelt es sich verfahrensrechtlich um eine Ehesache, § 121 Nr. 1 FamFG. Es gilt für die Ermittlung des Verfahrenswertes § 43 FamGKG. Gemäß § 43 Abs. 1 FamGKG ist der Verfahrenswert in Ehesachen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf aber nicht unter 3.000,00 EUR und nicht über 1.000.000,00 EUR angenommen werden.
Rz. 398
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Antragstellung, § 34 S. 1 FamGKG. Der Verfahrenswert erhöht sich nicht durch wechselseitige Scheidungsanträge. Es wird keine Wertaddition vorgenommen, da die Anträge denselben Streitgegenstand betreffen, § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG.
Rz. 399
Es kommt für die Wertermittlung im Wesentlichen auf drei Fragen an:
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Wie hoch ist das jeweilige Einkommen der Ehegatten? |
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Wie hoch ist das Vermögen der Ehegatten? |
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Rechtfertigen Umfang und Bedeutung der konkreten Scheidungssache eine Erhöhung des anhand der zuvor aufgeführten Kriterien ermittelten Verfahrenswertes? |
a) Einkommen der Ehegatten
Rz. 400
Gemäß § 43 Abs. 2 FamGKG ist für die Beurteilung der maßgeblichen Einkommensverhältnisse der Ehegatten ihr in drei Monaten erzieltes Nettoeinkommen einzusetzen. Hinsichtlich des Nettoeinkommens ist auf den unterhaltsrechtlichen Einkommensbegriff abzustellen. Für die Ermittlung des Einkommens sind demnach sämtliche Einkünfte zu berücksichtigen, mithin unter anderem Einkünfte aus selbstständiger oder unselbstständiger Tätigkeit inklusive Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Gratifikationen, Abfindungen, Kapitaleinkünfte, Privatentnahmen, Miet- und Pachteinnahmen, Renten und Steuererstattungen.
Rz. 401
Nicht zu den Einkünften zählt Unterhalt. Denn der Unterhalt ist aus dem Erwerbseinkommen des unterhaltsverpflichteten Ehegatten aufzubringen. Damit erfährt der Unterhaltsanspruch des unterhaltsberechtigten Ehegatten bereits Berücksichtigung in der Berechnung der gemeinsamen Einkünfte. Etwas anderes muss für zu zahlenden Kindesunterhalt und für Unterhalt gelten, der von Dritten gezahlt wird, da dieser nicht bereits in den berücksichtigten Erwerbseinkommen auftaucht. Der Kindesunterhalt muss deshalb voll abzugsfähig sein, Unterhalt durch Leistung Dritter als Einkommen voll anrechenbar.
Rz. 402
Ob Sozialleistungen ohne Lohnersatzfunktion, wie zum Beispiel Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach SGB II, als Einkommen in dem vorgenannten Sinne zu berücksichtigen sind, scheint in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet zu werden. Zum Teil wird die Einbeziehung der Sozialleistungen vor dem Hintergrund bejaht, dass die Festlegung des Verfahrenswertes sich an den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse orientieren soll. Stellt man hingegen auf den reinen Wortlaut des § 43 Abs. 2 FamGKG, "erzieltes Nettoeinkommen", ab, kann dahingehend argumentiert werden, dass dieser auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Ehegatten zielt. Sobald Leistungen der Grundsicherung gewährt werden, besteht aber gerade keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Denn wenn diese bestünde, wäre der jeweilige Ehegatte nicht bezugsberechtigt. Außerdem werden Sozialleistungen nicht "erzielt", sondern "bewilligt". Beziehen also beide Ehegatten Sozialleistungen ohne Lohnersatzfunktion oder trifft dies nur auf einen Ehegatten zu, wird der Verfahrenswert nicht anhand der Höhe der empfangenen Sozialleistungen berechnet. Folgt man der letztgenannten Ansicht, für die Ermittlung des Verfahrenswerts würden keine Sozialleistungen ohne Lohnersatzfunktion zugrunde gelegt, ist Konsequenz eines Falles, in dem Ehegatten Sozialleistungen ohne Lohnersatzfunktion beziehen, dass der Verfahrenswert zwangsläufig 3.000,00 EUR beträgt. Da Sozialleistungen, die für einen Zeitraum von drei Monaten gewährt werden, in der Regel ohnehin nicht den Mindestwert von 3.000,00 EUR übersteigen werden, ist die zuvor dargestellte Meinungsdifferenz in den meisten Fällen nicht relevant.
Rz. 403
Sofern das erzielte Nettoeinkommen feststeht, kann dieses entsprechend der Regelungen zum Unterhaltsrecht bereinigt werden. Es wären Steuern, Aufwendungen für Krankheits-, Alters- und angemessene Zusatzversorgung von dem jeweiligen Nettoeinkommen abzuziehen. Entsprechendes gilt für pauschale Aufwendungen für Kinder. Eine einheitliche Größe für diese Abzugspositio...