Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 723
Der Anspruch auf Zahlung von Erwerbslosenunterhalt gem. § 1573 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der bedürftige Ehegatte – ohne Anspruch wegen Kinderbetreuung, § 1570 BGB, Alters, § 1571 BGB oder Krankheit, § 1572 BGB – nicht in der Lage ist, eine angemessene Arbeitstätigkeit zu finden.
Es bestehen fünf Anspruchsvoraussetzungen:
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Kein Anspruch nach §§ 1570, 1571, 1572 BGB, |
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der Anspruchsberechtigte findet keine angemessene Erwerbstätigkeit, |
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trotz notwendiger Bemühungen um eine angemessene Erwerbstätigkeit, |
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zu einem maßgeblichen Einsatzzeitpunkt, |
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noch keine nachhaltige Unterhaltssicherung durch eine bereits ausgeübte angemessene Erwerbstätigkeit. |
a) Subsidiarität des Unterhaltsanspruches
Rz. 724
Ein Anspruch nach § 1573 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Berechtigte keinen Anspruch wegen Kindesbetreuung, § 1570 BGB, wegen Alters, § 1571 BGB oder wegen Krankheit, § 1572 BGB, hat. Der Anspruch auf Unterhalt von Erwerbslosigkeit ist daher gegenüber den anderen Unterhaltsansprüchen subsidiär.
§ 1573 Abs. 1 BGB setzt eine Erwerbsobliegenheit voraus. Da diese bei den Ansprüchen nach § 1575 (Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung) und § 1576 (Unterhalt aus Billigkeitsgründen) fehlt, sind auch Ansprüche nach diesen Vorschriften vorrangig gegenüber Ansprüchen nach § 1573 Abs. 1 BGB.
b) Bemühen um angemessene Erwerbstätigkeit gem. § 1574 Abs. 2 BGB
Rz. 725
Der Anspruch auf Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit setzt voraus, dass objektiv keine reale Beschäftigungschance für den Berechtigten existiert.
Bei der zu suchenden Erwerbstätigkeit muss es sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit im Sinne der Definition des § 1574 Abs. 2 BGB handeln. Sie muss daher der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer ggf. früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entsprechen. Eingeschränkt wird dies noch dadurch, dass eine solche Tätigkeit nach den ehelichen Lebensverhältnissen nicht unbillig sein darf.
Rz. 726
Nach dem Maßstab des § 1574 Abs. 2 BGB ist nicht nur die Art der Erwerbstätigkeit, sondern auch zu beurteilen, ob eine volle Erwerbstätigkeit angemessen ist oder lediglich eine Teilerwerbstätigkeit in Frage kommt.
Um eine solche angemessene Erwerbstätigkeit muss sich der Berechtigte bemühen. Eine schlichte Meldung bei der Agentur für Arbeit reicht ebenso wenig aus, wie Bewerbungen ohne konkreten Bezug zu einer Stellenausschreibung, also "ins Blaue hinein".
Rz. 727
Der Arbeitslose, gleichgültig, ob er Leistungen nach Hartz IV bezieht oder auch keinerlei Leistungen erhält, hat eigene Bemühungen zu entfalten, um seiner Obliegenheit zur Arbeitssuche zu genügen. Eigene Bemühungen müssen sich dokumentieren lassen in eigenen Inseraten, Notierungen in Vermittlungsagenturen oder in Job-Portalen, sowie in Bewerbungen auf Stellenanzeigen.
Der Umfang solcher Bewerbungen entspricht zeitlich dem Umfang der Arbeitstätigkeit, zu denen der Arbeitslose verpflichtet ist. Bei einer vollschichtigen Erwerbsobliegenheit und damit bei einer täglichen Arbeitssuche bis zu acht Stunden sind im Einzelfall bis zu 30 Bewerbungsschreiben pro Monat erforderlich. Der Umkreis der Arbeitssuche richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls.
Rz. 728
Lediglich bei anzuerkennenden örtlichen Bindungen, z.B. bei eigener Kinderbetreuung oder bei einer bestehenden Umgangsverantwortung, reicht es aus, wenn der Berechtigte sich auf Arbeitsplätze bewirbt, die von seinem Wohnort aus mit einem vertretbaren Aufwand erreichbar sind.
In Fällen, in denen solche anzuerkennenden örtlichen Bindungen nicht vorhanden sind, muss sich der Betroffene überregional bewerben. Tut er dies nicht, so erfüllt er die Anforderungen notwendiger Bemühungen um eine angemessene Erwerbstätigkeit nicht.
Rz. 729
Ob insgesamt aber eine reale Beschäftigungschance besteht, ist im Einzelfall festzustellen. Zweifel an Art und Umfang der notwendigen Bemühungen des Berechtigten gehen zu seinen Lasten. Sind ausreichende Bewerbungsbemühungen nicht dargelegt, ist nicht auszuschließen, dass der Betroffene eine angemessene Stelle gefunden hätte. Nur ausnahmsweise kann vom Fehlen jeglicher Beschäftigungschance ausgegangen werden.
Rz. 730
Wer verpflichtet ist, darzulegen und nachzuweisen, dass er keine Chance auf eine Vollzeitstelle hat, muss in gleicher Weise darlegen und nachweisen, dass ihm auch eine Tätigkeit im Rahmen der Gleitzone nach § 20 Abs. 2 SGB IV (sog. Midi-Job) und auch in einer geringfügigen Beschäftigung (sog. Mini-Job) nicht möglich ist.