Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
a) Anspruchsvoraussetzungen nach § 1575 Abs. 2 BGB
Rz. 845
Während die Anwendung des § 1575 Abs. 1 BGB voraussetzt, dass eine Ausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen worden ist, setzt der Anspruch nach § 1575 Abs. 2 BGB grundsätzlich eine abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung voraus.
Die Definition der darauf gegründeten Fortbildung und Umschulung wird abgeleitet von § 77 SGB III mit dem dort verwendeten Oberbegriff "Berufliche Weiterbildung"; hierunter fallen sowohl berufliche Fortbildung als auch berufliche Umschulung. Hierunter fallen Studiengänge nicht, sodass hinsichtlich eines Studienwunsches des geschiedenen Ehegatten die Voraussetzungen des § 1575 Abs. 1 BGB zu prüfen sind.
Rz. 846
Die Voraussetzungen des § 1575 Abs. 2 BGB entsprechend weitgehend denen des § 1575 Abs. 1 BGB:
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Die Fortbildung/Umschulung ist notwendig zum Ausgleich ehebedingter Nachteile; |
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die Fortbildung/Umschulung ist erforderlich, um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu erlangen, die den Unterhalt nachhaltig sichert; |
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die Fortbildung/Umschulung wird in zeitlich nahem Zusammenhang mit der Scheidung aufgenommen; |
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der Abschluss ist innerhalb üblicher Fortbildungs-/Umschulungszeit zu erwarten. |
b) Ausgleich ehebedingter Nachteile
Rz. 847
Besteht unterhaltsrechtlich eine Erwerbsobliegenheit, ist zunächst diese der Höhe nach zu klären. Von ihr hängt ab, in welcher Höhe ggf. ehebedingte Nachteile bestehen. Ist eine Erwerbsobliegenheit ersetzt durch die Notwendigkeit der Aus- oder Fortbildung, ist ebenfalls im Anschluss an diese Feststellung der ehebedingte Nachteil zu klären.
Rz. 848
Zwischen der notwendigen Fortbildung oder Umschulung und einem ehebedingten Nachteil muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Hinsichtlich beruflicher Nachteile ist die berufliche Stellung, die der Ehegatte voraussichtlich ohne Eheschließung gehabt hätte zu vergleichen mit der derzeitigen Situation aufgrund der Ehe.
Ein solcher Nachteil liegt vor, wenn die derzeit mögliche berufliche Stellung einen geringeren Lebensstandard ermöglicht als die ohne Eheschließung erreichte berufliche Stellung.
Rz. 849
Darüber hinaus liegen solche ehebedingten Nachteile auch dann vor, wenn die jetzt mögliche berufliche Stellung dem Bedürftigen keine angemessene Entfaltung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse erlaubt. Ist z.B. vor mehr als einem Jahrzehnt eine juristische Ausbildung mit Abschluss des ersten juristischen Staatsexamens erfolgt, nunmehr aber eine Weiterführung nicht möglich, so entspricht die Fortbildung zur Bürokauffrau einer Möglichkeit, ehebedingte Nachteile auszugleichen.
Zeitlich begrenzt ist der Anspruch nach § 1575 Abs. 3 BGB durch die statistisch durchschnittliche Dauer der Fortbildung oder Umschulung. Eine kürzere Befristung nach § 1578b BGB scheidet aus, wenn der Berechtigte wegen einer ehebedingten Einschränkung seiner Erwerbstätigkeit nicht in der Lage ist, Einkünfte zu erzielen, die dem eigenen angemessenen Bedarf nach § 1578 BGB reichen.