Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 447
Welche Auswirkungen ein Erb- und/oder Pflichtteilsverzichtsvertrag gem. § 2346 BGB auf die Rechte aus § 1586b BGB hat, ist außerordentlich umstritten.
Weite Teile der Literatur gehen davon aus, dass ein Erbverzichtsvertrag ebenso wie ein Pflichtteilsverzichtsvertrag die Haftung des Erben des unterhaltspflichtigen Ehegatten entfallen lasse. Etwas anderes soll danach nur gelten, wenn bei einem Erbverzicht der Pflichtteil vorbehalten würde.
Rz. 448
Diese Ansicht beruft sich zum einen auf den Wortlaut des § 1586b BGB.
Der Ehegatte, der auf sein gesetzliches Erbrecht ohne Pflichtteilsvorbehalt oder auch nur auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet habe, begebe sich dadurch aller Pflichtteilserwartungen, so dass es an einem "fiktiven" Pflichtteil i.S.d. § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB fehle, welcher die Unterhaltsschuld des Erben summenmäßig begrenzen könne.
Zum anderen gewähre das Gesetz den in den Nachlass verlängerten Unterhaltsanspruch "gleichsam als Ersatz" für den Verlust einer erbrechtlichen Nachlassteilhabe, die ihrerseits den überlebenden Ehegatten(auch) für den verlorenen Unterhalt entschädige. Habe aber der überlebende Ehegatte (ohne Pflichtteilsvorbehalt) auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet, fehle es an allen gesetzlichen Teilhabeerwartungen erbrechtlicher Art, so dass ein solcher Verzicht den nachehelichen Unterhaltsanspruch des § 1933 Satz 3 BGB erst gar nicht entstehen lasse.
Rz. 449
Die Gegenauffassung stellt – wohl zu Recht – darauf ab, dass es sich bei dem Anspruch nach § 1586b BGB um einen Unterhaltsanspruch handele und die Beschränkung auf den Pflichtteil nur eine höhenmäßige Begrenzung darstelle.
Rz. 450
Praxistipp
Mit Blick auf die umstrittene Rechtslage ist zu empfehlen, bei der Vereinbarung eines Erb- und/oder Pflichtteilsverzichtsvertrages zwischen Ehegatten (speziell in Scheidungsvereinbarungen) ausdrücklich klar zu stellen, ob der Verzicht auch unterhaltsrechtliche Wirkungen haben soll. Dies gilt freilich nicht, wenn ohnehin ein vollständiger Unterhaltsverzicht vereinbart wird.
Rz. 451
Muster 4.23: Kein Verzicht auf § 1586b BGB
Muster 4.23: Kein Verzicht auf § 1586b BGB
"Der vorstehende wechselseitige Pflichtteilsverzicht lässt Unterhaltsansprüche gegen den Erben des unterhaltsverpflichteten Ehegatten gem. § 1586b BGB unberührt."
Rz. 452
Muster 4.24: Verzicht auch auf § 1586b BGB
Muster 4.24: Verzicht auch auf § 1586b BGB
"Ferner verzichten wir gegenseitig auf etwaige Unterhaltsansprüche gegen den Erben des Unterhaltsverpflichteten gem. § 1586b BGB."
Rz. 453
Fehlt es nun – wie im Ausgangsfall – an einer ausdrücklichen Regelung über die unterhaltsrechtlichen Folgen eines erklärten Erb- und Pflichtteilsverzichts, ist damit noch nicht gesagt, dass in jedem Falle die Erbenhaftung gem. § 1586b BGB ausgeschlossen ist, auch wenn man der erstgenannten Literaturmeinung folgt, wonach ein Pflichtteilsverzicht die Erbenhaftung nach § 1586b BGB ausschließt, denn in jedem Fall ist eine Auslegung der Vereinbarung vorrangig.
Rz. 454
Es ist zu fragen, wie der mutmaßliche Wille der Eheleute gewesen wäre, wenn sie bei Erklärung des Erb- und/oder Pflichtteilsverzichts daran gedacht hätten, dass später ein Anspruch nach § 1586b BGB in Betracht kommen könnte.
Wird in einer Scheidungsvereinbarung kein Unterhaltsverzicht erklärt, sondern werden vielmehr ausdrückliche Regelungen zum nachehelichen Unterhalt getroffen oder aber der gesetzliche nacheheliche Unterhaltsanspruch schlicht (klarstellend) beibehalten und wird sodann in derselben Urkunde ein Erb- und Pflichtteilsverzicht erklärt, wird man diesen in aller Regel dahingehend auszulegen haben, dass Unterhaltsansprüche nach § 1586b BGB hiervon nicht berührt werden sollen.
Rz. 455
In Scheidungsvereinbarungen wird ein (vorsorglicher) Erb- und Pflichtteilsverzicht aufgenommen, um die Rechtsfolge des § 1933 BGB auf den Zeitpunkt der Scheidungsvereinbarung vorzuverlegen bzw. um die Rechtsfolge des § 1933 BGB losgelöst von den im Einzelfall möglicherweise umstrittenen Tatbestandvoraussetzungen herbeizuführen.
Rz. 456
Es geht also darum, beiden Ehegatten bereits für die Zeit des Getrenntlebens ihre volle erbrechtliche Verfügungsfreiheit zu garantieren. Insbesondere wird für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung regelmäßig keine Gegenleistung erbracht, welche es nahelegen könnte, dass es nicht dem mutmaßlichen Willen der Beteiligten entspricht, dass ein Beteiligter zunächst ein Entgelt erhält und dann noch einmal Unterhalt bis zur Höhe des fiktiven Pflichtteils.
Rz. 457
Praxistipp
In geeigneten Fällen sollte der beratende Anwalt die Einforderung einer Gegenleistung für den entsprechenden Verzicht erwägen.