Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 263
Bei außergewöhnlich guten Einkommensverhältnissen bedarf es jedoch einer konkreten Bemessung des eheangemessenen Unterhalts. Von einer bestimmten Einkommenshöhe an ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass die Eheleute das zur Verfügung stehende Einkommen nicht vollständig dem Konsum widmen, sondern Vermögensbildung betreiben.
Da die Höhe des dem Konsum zugeführten Einkommens individuell sehr unterschiedlich sein kann, ist ab einer bestimmten Größenordnung eine konkrete Bedarfsberechnung, orientiert an den ehelichen Lebensverhältnissen, durchzuführen. Der Unterhaltsberechtigte muss seinen Bedarf im Einzelnen darlegen.
Rz. 264
Nahezu einheitliche Auffassungen bestehen in der Rechtsprechung und in der Orientierung der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte nunmehr darüber, ab wann eine konkrete Bedarfsberechnung vorgenommen werden sollte.
Der BGH hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2017 gebilligt, eine konkrete Bemessung des Unterhaltsbedarfs erst dann zu verlangen, wenn dieser den Bedarf der Eheleute auf der Grundlage des Einkommens nach der höchsten Stufe der Düsseldorfer Tabelle um das Doppelte übersteigt.
Dies ist immer dann der Fall, wenn der Gesamtbedarf des Berechtigten den Betrag von derzeit 4.950 (45 % von 11.000 EUR) übersteigt. Die Düsseldorfer Tabelle hat dies für das Jahr 2022 berücksichtigt und eine Fortschreibung der höchsten Einkommensstufe von 5.500 EUR auf ein Einkommen von 11.000 EUR vorgenommen.
In einer Entscheidung vom 29.9.2021 geht der BGH darüber hinaus davon aus, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte das Wahlrecht zwischen konkreter Bedarfsberechnung und Quotenunterhalt hat und die Gerichte an diese Wahl gebunden sind.
Rz. 265
Bei einer ggf. notwendigen konkreten Bedarfsbemessung sind alle zur Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards benötigten Lebenshaltungskosten konkret zu ermitteln. Dazu zählen u.a. die Aufwendungen für das
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Haushaltsgeld, |
▪ |
Wohnen, |
▪ |
Kleidung, |
▪ |
Geschenke, |
▪ |
Putzhilfe, |
▪ |
Reisen, |
▪ |
Urlaub, |
▪ |
sportliche Aktivitäten, |
▪ |
kulturelle Bedürfnisse, |
▪ |
Pkw-Nutzung, |
▪ |
Vorsorgeaufwendungen, |
▪ |
Versicherungen und |
▪ |
sonstige notwendige Lebenshaltungskosten. |
Rz. 266
Born hat zur Bestimmung konkreter Aufwendungen eine sehr ausführliche Checkliste wie folgt vorgeschlagen:
I. |
Essen und Trinken
▪ |
Wöchentlicher Einkauf (Supermarkt) |
▪ |
Restaurant, auswärtiges Essen |
▪ |
Besonderer Mehrbedarf, z.B. Diät |
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II. |
Kleidung
▪ |
Anschaffung und Reinigung von Oberbekleidung |
▪ |
Unterwäsche |
▪ |
Schuhe |
▪ |
Mode |
▪ |
Schmuck |
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III. |
Körperpflege
▪ |
Friseur |
▪ |
Kosmetik (Produkte, Studio) |
▪ |
Parfüm |
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IV. |
Haushalt und Wohnen
▪ |
Anschaffungen für Hausrat |
▪ |
Zeitung |
▪ |
Müllabfuhr |
▪ |
Porto |
▪ |
Telefon, Handy, PC |
▪ |
TV und Radio (GEZ) |
▪ |
Garage |
▪ |
Miete und Nebenkosten (Heizung, Strom, Versicherung pp) |
▪ |
Haustiere (Futter, Tierarzt, Versicherung) |
▪ |
Instandhaltung, Reparaturaufwendungen |
▪ |
Gärtner, Haushaltshilfe, Kindermädchen |
|
V. |
Kultur und soziales Leben
▪ |
Theater/Oper |
▪ |
Kino |
▪ |
Museum |
▪ |
Bücher und Zeitschriften |
▪ |
Kosten für Einladungen und Geschenke |
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VI. |
Sport und Freizeit
▪ |
Mitgliedsbeiträge |
▪ |
Trainerstunden |
▪ |
Sportbekleidung (Anschaffung und Ersatz) |
▪ |
Materialverbrauch |
▪ |
Besondere Kosten (z.B. Turnier- und Meldegebühren) |
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VII. |
Urlaub
▪ |
Reisekosten |
▪ |
Kosten der Unterkunft |
▪ |
Zusatzausgaben vor Ort |
▪ |
Club-Gebühren |
▪ |
Städte- und Kulturreisen |
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VIII. |
Kraftfahrzeug
▪ |
Steuer und Versicherung |
▪ |
Reparaturen und Inspektionen |
▪ |
Benzin |
▪ |
41. Rücklage für Neuanschaffung |
▪ |
Leasing-Rate |
▪ |
Mitgliedsbeitrag (z.B. ADAC) |
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IX. |
Versicherungen
▪ |
Krankenkasse (Mitgliedsbeitrag) |
▪ |
Krankenkasse (Selbstbeteiligung) |
▪ |
Krankenzusatzversicherung |
▪ |
Lebensversicherung |
▪ |
Unfallversicherung |
▪ |
Rechtsschutzversicherung |
▪ |
Haftpflichtversicherung (soweit nicht für Kfz) |
|
X. |
Sonstiges
▪ |
Persönliche Weiterbildung |
▪ |
Vorsorgeaufwendungen Alter |
▪ |
Steuerberater |
▪ |
Bankgebühren |
▪ |
Beiträge zu Vereinigungen, Spenden |
|
Rz. 267
Ein Rückschluss von den Gesamtausgaben für die Familie während des ehelichen Zusammenlebens auf den konkreten Bedarf der Ehefrau ist nur begrenzt auf allgemeine Ausgabenpositionen möglich (z.B. Pos. I. Essen und Trinken). Im Übrigen ist individuell auf die Bedürfnisse des Unterhaltsgläubigers bezogen darzulegen und exemplarisch nachzuweisen, in welcher Höhe Ausgaben vorhanden sind.
Die Anforderungen an den Nachweis sind jedoch nicht zu überspannen. Es genügt, wenn der Unterhaltsbedürftige die einzelnen Bedarfspositionen in der Weise überschlägig darstellt, dass das Gericht sie nach § 287 ZPO schätzen kann.
Rz. 268
Beispiel für eine konkrete Unterhaltsberechnung
Art |
|
Euro |
Bemerk. |
Wohnbedarf |
|
800 |
|
Strom |
65 |
|
|
Gas/Heizung |
125 |
|
|
Abfall |
25 |
|
|
Abwasser |
60 |
|
|
Wasser |
15 |
|
|
GEZ |
15 |
|
|
Telekom |
40 |
|
|
Kabel |
15 |
360 |
|
|
Allg. Lebensbedarf |
|
1.500 |
|
Zeitung/Bücher |
|
100 |
|
Handy |
|
50 |
|
Sport |
|
100 |
|
Friseur/Kosmetik |
|
200 |
|
Bekleidung |
|
400 |
|
Urlaub |
|
500 |
|
Kultur/Theater |
|
100 |
|
Restaurant/Einladungen |
|
150 |
|
Kfz |
|
500 |
Golf lt. ADAC-Tabelle |
Tanken |
|
1... |