Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 592
Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus, soweit dies der Billigkeit entspricht, § 1570 Abs. 1 Satz 2 BGB. Satz 3 legt den Vorrang außerhäuslicher Betreuung des Kindes ab diesem Zeitpunkt fest ("Möglichkeiten der Kindesbetreuung"). Dies führt zu einer Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsberechtigten der für die Prüfung der konkret bestehenden Betreuungsmöglichkeiten des Kindes notwendigen Tatsachen.
Der Unterhaltsgläubiger ist daher in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig, wenn er eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das 3. Lebensjahr hinaus erreichen will.
Trägt der Unterhaltsgläubiger dezidiert vor, darf sich der Unterhaltsschuldner nicht auf reines Bestreiten oder Nichtwissen beschränken. Der betreuende Elternteil muss nicht jeden mehr oder weniger pauschal ins Blaue hinein erhobenen Einwand des Unterhaltspflichtigen entkräften.
Auch Behauptungen des Unterhaltsberechtigten, eine Tatsache sei "gerichtsbekannt", ist in der Regel nicht geeignet, konkreten Vortrag des Unterhaltsgläubigers zu widerlegen. Es ist dezidiert zu bestreiten. Die Darlegungslast des betreuenden Elternteils geht nicht so weit, dass jeder denkbare Umstand widerlegt werden muss.
Rz. 593
Für das Fehlen einer realen Beschäftigungschance bei bestehender Verpflichtung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ist der Betroffene ebenfalls darlegungs- und beweispflichtig.
Rz. 594
Genügt der Berechtigte dieser Verpflichtung nicht in dezidierter Weise, werden ihm möglicherweise fiktive Einkünfte zugerechnet.
Die Zurechnung fiktiver Einkünfte hat jedoch neben den fehlenden subjektiven Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners objektiv zur Voraussetzung, dass die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für den Verpflichteten überhaupt erzielbar sind. Dies hängt von den konkreten persönlichen Voraussetzungen ab wie
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Alter |
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Ausbildung |
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Berufserfahrung |
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Gesundheitszustand |
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aber auch dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen. |
Rz. 595
Hinweis
Hierzu ist im Verfahren konkreter und detaillierter Sachvortrag erforderlich. Die insoweit grundsätzlich darlegungspflichtige Unterhaltsberechtigte sollte sich also nicht nur auf den Vortrag beschränken, keine Erwerbstätigkeit finden zu können. Damit geht sie das Risiko ein, dass das Gericht ein zu hohes hypothetisches Einkommen gem. § 287 ZPO schätzt. Erfolgversprechender ist es, unter genauer Darlegung aller Faktoren hilfsweise auch konkret zu berechnen, wie hoch sich – nach Abzug von Steuern, Sozialabgaben etc. – das Einkommen belaufen würde, wenn sie eine Arbeitsstelle bekommen hätte. In der Praxis muss daher ausführlich die Erwerbsbiographie der Berechtigten erörtert werden.
Anhaltspunkte für die Höhe der erzielbaren Einkünfte liefern die Empfehlungen der einschlägigen Berufsverbände.
Rz. 596
Auch das Tarifarchiv der Hans-Boeckler-Stiftung (www.boeckler.de) und die Internetseite www.gehaltsvergleich.de liefern erste Anhaltspunkte.
Rz. 597
Im Abänderungsverfahren trägt grundsätzlich der Antragsteller die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der wesentlichen Änderung der dem Titel zugrunde liegenden Umstände. Bei einer Veränderung der Betreuungssituation kann aber dem betreuenden Elternteil, so der BGH, die Darlegungs- und Beweislast für die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit vollzeitlicher außerhäuslicher Betreuung obliegen.