Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 198
Wie die Dauer der Ehe spielt auch die Dauer der Trennung für die Frage der Erwerbsobliegenheit eine wichtige Rolle. Je länger die Trennung dauert, desto geringer wird das Vertrauen in den Fortbestand der Ehe sein. In der Regel wird man während des ersten Trennungsjahres keine Erwerbsobliegenheit annehmen können. Sie setzt in der Regel erst nach Ablauf des ersten Trennungsjahres ein.
Rz. 199
Vor Ablauf des Trennungsjahres kann eine Erwerbsobliegenheit angenommen werden, wenn besondere Umstände die endgültige Trennung und künftige Scheidung der Ehepartner nahe legen. Haben die Eheleute z.B. eine Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung geschlossen, ist dies ein Indiz für das endgültige Scheitern der Ehe.
Rz. 200
Gleichwohl wird es darauf ankommen, ob diese (notarielle) Vereinbarung sehr früh nach Beginn des Trennungsjahres oder im letzten Teil der einjährigen Trennung abgeschlossen wurde. Bei sehr früher Vereinbarung über die Trennungs- und Scheidungsfolgen kann es durchaus noch im Verlauf des Trennungsjahres zu einer Sinneswandlung kommen, die in eine Versöhnung und Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft mündet.
Stellt der unterhaltsbedürftige Ehegatte kurz vor Ablauf des Trennungsjahres mit Zustimmung des Ehepartners Scheidungsantrag, ist davon auszugehen, dass die Ehe endgültig gescheitert ist und der unterhaltsbedürftige Ehegatte verpflichtet ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Rz. 201
Entscheidend ist, ob vernünftigerweise noch eine Hoffnung auf Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft besteht. Zuzumuten ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in jedem Fall, wenn beide Ehegatten die Scheidung wollen, der Ablauf des Trennungsjahres kurz bevor steht und aufgrund der konkreten Umstände (beiderseits neue Partner) vernünftigerweise eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden kann.
Rz. 202
Bei Ehen längerer Dauer und älterer Unterhaltsberechtigter ist die Zeitdauer, die den Eheleuten zur Überlegung im Hinblick auf ihre unterbrochene Eheführung einzuräumen ist, nicht zu verkürzen.
Rz. 203
Aufgrund der durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz 2008 verschärften nachehelichen Erwerbsobliegenheit muss auch für den Trennungsunterhaltsanspruch gelten, dass nach endgültigem Scheitern der Ehegrundsätzlich eine Erwerbspflicht besteht. Im Sinne der auflebenden Verpflichtung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ist eine Ehe dann gescheitert, wenn auch nach einem Jahr keine konkreten Ansätze sichtbar sind, die eine Versöhnung als wahrscheinlich erscheinen lassen.