Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 942
Rangfragen, also die Beantwortung der Frage, welche von mehreren Unterhaltsbedürftigen vor anderen von Unterhaltspflichtigen zu befriedigen sind, spielt so lange keine Rolle, wie der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, sämtliche Unterhaltsansprüche zu erfüllen. Dann wirken sich Rangverhältnisse nicht aus.
Rz. 943
Erst dann kommt der Nachrang eines Unterhaltsberechtigten zum Tragen, wenn das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten nicht ausreicht, sowohl den Unterhalt aller Berechtigten als auch seinen eigenen Bedarf sicherzustellen.
1. Der Rang des Unterhaltsberechtigten
Rz. 944
In § 1609 BGB sind die Rangverhältnisse zwischen mehreren Unterhaltsberechtigten nach der folgenden Rangfolge geregelt:
§ 1609 Nr. 1 BGB
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Minderjährige unverheiratete Kinder, |
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volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB. |
§ 1609 Nr. 2 BGB
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Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Falle der Scheidung wären sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer. |
§ 1609 Nr. 3 BGB
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Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nr. 2 fallen. |
§ 1609 Nr. 4 BGB
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Volljährige und minderjährige verheiratete Kinder. |
§ 1609 Nr. 5 BGB
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Enkelkinder und weitere Abkömmlinge. |
§ 1609 Nr. 6 BGB
§ 1609 Nr. 7 BGB
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Weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unter ihnen gehen die näheren den entfernteren vor. |
Rz. 945
Ist beispielsweise ein Ehegatte unterhaltsberechtigt, weil er ein kleines Kind betreut, befindet er sich im zweiten Rang. Auch wenn ein Teil des Unterhaltes, nach der Quotierung, auf Aufstockungsunterhaltsansprüche nach § 1573 Abs. 2 BGB beruht, ändert dies nichts am Rang, den der unterhaltsberechtigte Ehegatte im Hinblick auf den Anspruch auf Betreuungsunterhalt einnimmt.
Rz. 946
Die Rangstufen sind nicht an Unterhaltsansprüche, sondern an Personen geknüpft, die nicht aufzuspalten sind. Einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt hat auch derjenige Ehegatte, bei dem nur ein Teil des Unterhalts auf § 1570 BGB beruht.
Dies gilt ebenso im Falle einer Teilerwerbsobliegenheit im Hinblick auf die Kinderbetreuung. Hier reicht aus, dass der durch Einkünfte nicht gedeckte Bedarf gem. § 1570 BGB als Unterhalt geschuldet wird.
Rz. 947
Geht es beispielsweise um den Rang eines mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten, ist zu prüfen, worauf der Unterhalt im Falle einer Scheidung beruhen würde.
Unterstellt, der Unterhaltspflichtige sei von seinem neuen Ehegatten geschieden, ist hypothetisch auf dieser Grundlage zu prüfen, auf welcher Anspruchsgrundlage ein Unterhaltsanspruch beruhen würde und damit, auf welcher Stufe er anzusetzen ist. Geht aus der neuen Ehe ein Kind hervor und betreut der Ehegatte das gemeinsame kleine Kind, wird er in die Stufe 2 (§ 1609 Nr. 2 BGB) eingeordnet.
Rz. 948
Betreut der geschiedene Ehegatte keine gemeinsamen Kinder, würde er sich beispielsweise gleichwohl auf dem zweiten Rang befinden, wenn die geschiedene Ehe von langer Dauer war. Eine lange Ehedauer ist ab etwa 20 Jahren anzunehmen und wird bemessen vom Zeitpunkt der Heirat bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages.
Rz. 949
Hinweis
Langes Getrenntleben von Ehegatten kann im Laufe der Trennung zu einer "Ehe von langer Dauer" führen. Dieser Aspekt kann eine Rolle spielen für die Frage, ob eine Scheidung angestrebt wird.
Rz. 950
Gesetzlich ist allerdings nicht geregelt, wann eine lange Ehedauer vorliegt. Zwar ist ein Zusammenhang zwischen Ehedauer und ehebedingten Nachteilen im Sinne des § 1578b BGB vorhanden. Dies kann aber nicht dazu führen, dass bei Nichtvorliegen ehebedingter Nachteile eine Ehe immer von kurzer Dauer ist, gleichgültig, wie lange sie bestanden hat. Umgekehrt kann aber auch eine relativ kurze Ehedauer nicht als lang gelten, wenn ehebedingte Nachteile bei dem Unterhaltsberechtigten vorhanden sind.
Insgesamt ist es möglich, dass der geschiedene Ehegatte gegenüber dem neuen Ehegatten nachrangig, vorrangig oder gleichrangig ist.
2. Der Selbstbehalt des Unterhaltsverpflichteten
Rz. 951
Unabhängig von jedem Rang ist Unterhalt in Höhe des bestehenden Bedarfs nur dann und soweit geschuldet, wie die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten reicht. Ist er nicht in vollem Umfange leistungsfähig, besteht ein Mangelfall, der zu einer Verminderung des Unterhaltes unterhalb des Unterhaltsbedarfs führt.
Das bedeutet zugleich, dass dem Verpflichteten ein bestimmter Betrag verbleiben muss, sein Eigenbedarf oder Selbstbehalt.
Rz. 952
Der Selbstbehalt ist derjenige Betrag, der dem Verpflichteten gegenüber einem Berechtigten auf jeden Fall als unterste Opfergrenze verbleiben muss. Seine Unterhaltsverpflichtung setzt erst oberhalb solcher Selbstbehaltsgrenzen ein. Bis zur Höhe des Selbstbehaltes benötigt der Verpflichtete die Einkünfte zur D...