Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
1. Normzweck
Rz. 814
Hat ein – nunmehr geschiedener – Ehegatte in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine Schul- oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen, besteht ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach § 1575 Abs. 1 BGB, wenn er diese oder eine entsprechende Ausbildung sobald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die den Unterhalt nachhaltig sichert, erlangen zu können und der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist.
Der Anspruch auf eine solche Ausbildung soll dazu führen, ehebedingte Ausbildungsnachteile auszugleichen.
Rz. 815
Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt besteht längstens für die übliche Ausbildungs- bzw. Studienzeit (§ 1575 Abs. 1 S. 2 BGB), also diejenige Zeit, die in der eine solche Ausbildung üblicherweise regelmäßig abgeschlossen wird. Der Unterhaltsanspruch kann daher unabhängig von § 1578b BGB auf die voraussichtliche Dauer der Ausbildung zeitlich befristet werden.
Rz. 816
Die Zahl derjenigen, die im Hinblick auf eine Eheschließung ihre Ausbildung gar nicht aufgenommen haben oder die ihre Ausbildung aufgrund der (zukünftigen) Ehe abgebrochen haben, dürfte im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung abgenommen haben. Dies liegt zum einen am gestiegenen Alter zum Zeitpunkt der Eheschließung, aber auch daran, dass die in früheren Jahrhunderten geltende Vorstellung, die zukünftige Ehe sichere den Unterhalt und die Existenz auf Dauer, keinen Bestand mehr in der Vorstellungswelt junger Menschen mehr hat, – zumindest im europäischen Kulturkreis.
Rz. 817
Der Ausbildungsanspruch des § 1575 BGB setzt nicht voraus, dass der geschiedene Ehegatte ohne die Ausbildung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden in der Lage wäre. Der ausbildungswillige (frühere) Ehegatte kann eine Statusverbesserung anstreben, wenn er diese ohne die Eheschließung erreicht hätte. Gegenüber den ehelichen Lebensverhältnissen kann daher eine Niveausteigerung angestrebt sein.
Rz. 818
Die Einschränkung im Wortlaut des § 1575 Abs. 1 BGB, wonach die Ausbildung zu einer angemessenen Erwerbstätigkeit führen muss, grenzt die Verpflichtung zur Unterstützung durch den Pflichtigen dahingehend ein, dass der dieser kein Studium finanzieren muss, das nicht zu dem Ziel der angemessenen Erwerbstätigkeit führen kann, z.B. vorrangig dem Vergnügen dient.
2. Subsidiarität, Konkurrenzen
a) Anspruch auf Ausbildungsförderung
Rz. 819
Neben dem Anspruch auf Ausbildungsunterhalt kann für den Berechtigten ein Anspruch auf öffentlich-rechtliche Ausbildungsförderung nach dem BAföG oder dem SGB II (AFG) bestehen.
Die Anspruchsvoraussetzungen differieren zu den Ansprüchen nach § 1575 BGB. BAföG-Leistungen werden z.B. nur bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres gewährt, Leistungen nach dem SGB III nur unter den in §§ 59 ff. SGB III normierten besonderen Voraussetzungen.
Öffentlich-rechtliche Ausbildungsförderung ist gegenüber Unterhaltsansprüchen jedoch subsidiär mit der Folge, dass der Leistungsträger bei nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten den Unterhaltsanspruch gegen den Unterhaltspflichtigen auf sich überleiten kann, §§ 1, 11 BAföG.
Rz. 820
Gegenüber geschiedenen Ehegatten gehen die Ansprüche nicht über, §§ 37, 38 BAföG. Solche Leistungen sind gegenüber dem Unterhaltspflichtigen bedürftigkeitsmindernd und sind auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen, § 1577 Abs. 1 BGB.
Rz. 821
Der ausbildungswillige Ehegatte ist verpflichtet, solche Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Leistungen nur darlehensweise gewährt werden, es sei denn, durch die Rückzahlungsverpflichtung wird mit Wahrscheinlichkeit ein angemessenes Erwerbseinkommen verhindert.
b) Vorrang des Anspruchs nach § 1575 BGB
Rz. 822
Neben dem Anspruch nach § 12575 BGB kann der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach §§ 1574 Abs. 3, 1573 Abs. 1 BGB bestehen.
Der Anspruch nach § 1575 BGB ist jedoch in jedem Fall vorrangig, da für die Dauer der Ausbildung keine Erwerbsobliegenheit besteht, die § 1573 Abs. 1 BGB grundsätzlich voraussetzt.
Erst die Erwerbsobliegenheit kann zu einem Unterhaltsanspruch nach §§ 1574 Abs. 3, 1573 Abs. 1 BGB führen, weil in diesem Fall eine Ausbildung notwendig ist, um eine angemessene Erwerbstätigkeit überhaupt ausüben zu können.
Rz. 823
Beide Ansprüche können gleichzeitig gegeben sein, wenn die Ausbildung sowohl erforderlich ist, um ehebedingte Nachteile auszugleichen, als auch, um nach Ausbildungsabschluss eine angemessene Erwerbstätigkeit finden zu können.
Rz. 824
Schließt der Berechtigte die Ausbildung nach § 1575 BGB ab und findet er keine seinem Ausbildungsniveau entsprechende berufliche Tätigkeit, besteht ein Anspruch auf Erwerbslosigkeitsunterhalt, §§ 1575 Abs. 1, Abs. 3 BGB. Letzt...