Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 5
Gerade wenn ein Elternteil bereits unter Hinterlassung des Längerlebenden und gemeinsamer minderjähriger Kinder verstorben ist, stellt sich die Frage, ob der Längerlebende in der Lage ist, eine andere Person zur Ausübung des Sorgerechts zu ermächtigen oder einen Vormund für die minderjährigen Kinder verbindlich festzulegen. Dabei kann man an zwei mögliche Situationen denken: Zum einen könnte auch der überlebende Ehegatte versterben und die gemeinsamen minderjährigen Kinder als Vollwaisen hinterlassen. Zum anderen könnte der überlebende Ehegatte aufgrund eines Unfalls oder wegen Krankheit geschäftsunfähig werden und deshalb an der Ausübung des Sorgerechts gehindert sein.
Rz. 6
Für den erstgenannten Fall sind die Möglichkeiten im Gesetz ausdrücklich geregelt. So haben die Eltern gem. § 1782 BGB ein Benennungsrecht. Sollten der Vater und die Mutter verschiedene Personen benannt haben, gilt die Benennung durch den zuletzt verstorbenen Elternteil. Einen Dritten zur Benennung zu ermächtigen ist nicht möglich. Die Eltern können den Vormund gem. § 1782 Abs. 1 BGB nur durch letztwillige Verfügung benennen, soweit ihnen die Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes zum Zeitpunkt ihres Todes zusteht. Dabei kann die Benennung auch in einem gemeinschaftlichen Testament erfolgen.
Formulierungsbeispiel
Für den Fall, dass für meine Kinder eine Vormundschaft angeordnet wird, bestimme ich Folgendes:
1. |
Zum Vormund benenne ich meine Schwester (…). Für den Fall, dass die vorstehend genannte Person nicht als Vormund eingesetzt werden kann, soll ersatzweise mein Schwager (…) bestellt werden. |
2. |
Ich ordne weiter an, dass folgende Personen von der Vormundschaft ausgeschlossen sind: (…). |
3. |
Der Vormund wird gemäß § 1801 Abs. 3 S. 1 BGB von sämtlichen Beschränkungen befreit, soweit dies gesetzlich möglich ist. |
Rz. 7
Für den Fall der Geschäftsunfähigkeit findet sich im Gesetz allerdings keine Regelung. Auch in der Kommentarliteratur finden sich kaum Ausführungen zu einer analogen Anwendung des § 1782 BGB für den Fall der Geschäftsunfähigkeit. Im Falle der Geschäftsunfähigkeit würde die elterliche Sorge des überlebenden Elternteils gem. § 1673 Abs. 1 BGB ruhen. Nachdem der andere Elternteil bereits verstorben ist, müsste ein Vormund bestellt werden.
Rz. 8
Da der Fall der Geschäftsunfähigkeit stark vergleichbar mit dem Tod des Sorgeberechtigten ist, dürfte im Ergebnis viel dafür sprechen, dass die fehlende Regelung zur Geschäftsunfähigkeit keine bewusste gesetzgeberische Entscheidung war, sondern dass diesbezüglich eine planwidrige Regelungslücke vorliegt und § 1782 BGB (§ 1776 BGB a.F.) analog anzuwenden ist. Zwar hat der Gesetzgeber durch die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts diese Lücke nicht beseitigt, obwohl es ihm im Rahmen der umfassenden Reform wohl problemlos hätte möglich sein können. Aber es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass er den Fall der Geschäftsunfähigkeit bewusst anders regeln wollte. Eine Unterscheidung zwischen Tod und Geschäftsunfähigkeit erscheint kaum vertretbar. Sowohl bei Tod des letzten sorgeberechtigten Elternteils als auch bei seiner Geschäftsunfähigkeit liegt nämlich die gleiche Situation für die minderjährigen Kinder vor: Der Elternteil ist schlicht nicht mehr in der Lage Entscheidungen zu treffen, er kann seine Kinder nicht vertreten. Der Grund, weshalb dieser Zustand vorherrscht, kann dabei eine unterschiedliche Beurteilung nicht rechtfertigen. Daher ist davon auszugehen, dass auch im Falle der Geschäftsunfähigkeit bei der Auswahlentscheidung des Vormunds die Vorgaben des sorgeberechtigten Elternteils in gleicher Weise wie bei seinem Tod durch das Gericht zu beachten sind.
Rz. 9
Wegen der analogen Anwendung des §§ 1782 BGB stellt sich allerdings die Frage, in welcher Form die Benennung erfolgen sollte. Es erscheint denkbar, dass auch für den Fall der Geschäftsunfähigkeit die Formvorschriften einer letztwilligen Verfügung zu beachten sind, die Sorgerechtsbestimmung daher handschriftlich abzufassen wäre, vgl. § 2247 Abs. 1 BGB. Auch wenn diesseitig eine solche Forderung für überzogen erachtet wird, da es ausreichend sein sollte, wenn aus der Sorgerechtsverfügung der verfassende Sorgeberechtigte zu erkennen ist, sollte bei Mandantenbesprechungen darauf hingewiesen werden und aus Sicherheitsgründen auf eine handschriftliche Abfassung verwiesen werden.
Formulierungsbeispiel
Für den Fall, dass der letzte von uns die elterliche Sorge für unsere beiden Kinder … wegen Tod oder Geschäftsunfähigkeit, z.B. aufgrund Krankheit, oder wegen eines anderen Grundes nicht mehr ausüben kann und für unsere Kinder deswegen eine Vormundschaft angeordnet werden muss, benennen wir den Bruder der Ehefrau, Herrn (…), ersatzweise, Frau (…), als Vormund.
Ferner ordnen wir an, dass folgende Personen von der Vormundschaft ausgeschlossen sind: (…)
Der Vormund wird gemäß § 1801 Abs. 3 S. 1 BGB von sämtlichen dort vorgesehenen Beschränkungen befreit, soweit dies gesetzlich zulässig ist.
Ort, Dat...