Rz. 36
Schwierigkeiten ergeben sich beim mehrseitigen Erbvertrag, wenn die von den Vertragsparteien getroffenen Verfügungen nicht demselben Recht unterliegen. Dies ist z.B. möglich, wenn die Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Staaten haben oder eine abweichende Rechtswahl getroffen haben. Einhellige Ansicht ist, dass sämtliche Verfügungen nur dann insgesamt wirksam sein können, wenn sämtliche betroffenen Rechtsordnungen die Wirksamkeit der vertragsmäßigen Verfügungen anerkennen. Umstritten war in Deutschland, was passiert, wenn nur ein Teil dieser Rechtsordnungen die Wirksamkeit der Verfügungen bejaht.
Rz. 37
Eine ältere Auffassung versuchte, dieses Problem bereits auf der kollisionsrechtlichen Ebene zu lösen. Hiernach müssen die Zulässigkeitsvoraussetzungen der für alle im Vertrag vertragsmäßig getroffenen Verfügungen geltenden Errichtungsstatute gleichzeitig gegeben sein, damit alle Verfügungen wirksam sind ("kumulative Anknüpfung"). Gilt für einen Vertragspartner ein Errichtungsstatut, welches vertragliche Verfügungen der von ihm getroffenen Art nicht kennt, so sind auch die Verfügungen aller anderen Vertragspartner unwirksam ("Grundsatz des ärgeren Rechts").
Rz. 38
Das genaue Gegenteil war in Art. 18 des Vorschlags der Kommission zur EuErbVO vom November 2011 vorgesehen: Dieser ließ für die Wirksamkeit eines mehrseitigen Erbvertrages genügen, dass dieser nach dem für einen einzigen der Verfügenden geltenden Errichtungsstatut wirksam ist ("alternative Anknüpfung").
Rz. 39
Die in Deutschland bei Erlass der EuErbVO wohl überwiegende Auffassung beließ es bei der gesetzlichen Regel, dass sich Zulässigkeit und Bindungswirkung der vertragsmäßigen Verfügungen für jeden Nachlass nach dem jeweils für ihn geltenden Errichtungsstatut beurteilen ("distributive Anknüpfung"). Ergibt sich aus einem der Errichtungsstatute die Unwirksamkeit der Verfügung, entscheiden die jeweils für die anderen Verfügungen geltenden Errichtungsstatute (also die anwendbaren materiellen Rechte) darüber, welche Folgen sich für die Verfügungen über das Vermögen, das ihnen untersteht, in Bezug auf Gültigkeit und Bindungswirkung ergeben ("Lösung auf sachrechtlicher Ebene").
Rz. 40
In Art. 25 Abs. 2 EuErbVO hat man sich für eine differenzierte Anknüpfung entschieden: Ein Erbvertrag, der den Nachlass mehrerer Personen betrifft, ist nur dann zulässig, wenn er nach jedem der Rechte zulässig ist, die nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge der einzelnen beteiligten Personen anzuwenden wären, wenn sie zu dem Zeitpunkt verstorben wären, in dem der Erbvertrag geschlossen wurde. Es kommt daher zu einer kumulativen Anknüpfung der Errichtungsstatute aller am Erbvertrag beteiligter und in dem Vertrag Verfügungen treffender Vertragsparteien. Im Zweifel setzt sich also das vertragsfeindliche Recht durch.
Dieser Trend zur kollisionsrechtlichen Einheitlichkeit wird auch hinsichtlich der Wirkungen durchgesetzt. Unterliegen die Wirkungen einzelner Verfügungen des mehrseitigen Erbvertrages verschiedenen Rechtsordnungen, so soll einheitlich für alle Verfügungen diejenige dieser Rechtsordnungen gelten, die zum Vertrag die engsten Verbindungen aufweist, Art. 25 Abs. 2 UAbs. 2 EuErbVO.
Rz. 41
Eine Abmilderung der rigiden Kumulation ergibt sich allerdings aus Art. 25 Abs. 3 EuErbVO: Die Parteien können für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen ihres Erbvertrages, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, das Heimatrecht wählen, das eine einzige der Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Art. 22 EuErbVO wählen kann. Für die Voraussetzungen einer entsprechenden Rechtswahl gilt Art. 22 EuErbVO entsprechend. Da es genügt, dass ein einziger der Vertragsparteien Angehöriger eines Staates ist, der den Erbvertrag kennt, kommt es durch diese Klausel zu einem "Export des Erbvertrages".
Beispiel:
Eine Deutsche hat in den 70er Jahren einen Italiener geheiratet und damals die italienische Staatsangehörigkeit erworben. Seitdem lebt die gesamte Familie in Italien. Hier ergäbe sich aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts für die Wirksamkeit eines Erbvertrages zwischen den Eheleuten die Geltung italienischen Erbrechts, Art. 25 Abs. 2 EuErbVO. Gemäß Art. 25 Abs. 3 EuErbVO können die Beteiligten aber auch für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen des Erbvertrages, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, das deutsche Heimatrecht wählen. Insoweit kann daher dann auch der italienische Ehemann die Wirksamkeit seiner Verfügungen dem deutschen Heimatrecht seiner Ehefrau unterstellen, soweit er in einem Erbvertrag gemeinsam mit ihr Verfügungen trifft.
Rz. 42
Auffällig hieran ist, dass die Harmonisierung unterschiedlicher Errichtungsstatute für den Erbvertrag hier allein durch Einigung auf das Heimatrecht eines der Beteiligten möglich ist. Die Vereinbarung der Geltung des Rechts des Staates, in dem einer oder gar die Mehrheit der Beteiligten ihren gewöhnlichen A...