I. Praktische Bedeutung von Erbschaftsverträgen
Rz. 239
Erbschaftsverträge nach § 311b Abs. 5 BGB (bis 31.12.2001: § 312 BGB) spielen in der erbrechtlichen Gestaltungspraxis eine äußerst untergeordnete Rolle, obwohl mit ihnen Pflichtteilsverzichte abgesichert werden können. Außerdem ermöglichen sie eine vorweggenommene Erbauseinandersetzung bzw. ein vorweggenommenes Ausscheiden eines künftigen Miterben aus einer in der Zukunft entstehenden Erbengemeinschaft. Von praktischer Bedeutung sind derartige Verträge, wenn der Erblasser geschäftsunfähig ist, eine bindende Verfügung von Todes wegen vorliegt oder die künftigen Erben auch untereinander bindende Vereinbarungen treffen wollen.
Er bietet den Familienangehörigen des künftigen Erblassers vor allem zwei Vorteile: Erstens können sie damit eine Erbauseinandersetzung nach dem Tod des Erblassers vorbereiten oder sogar überflüssig machen. Zweitens können sie ihre künftigen Erbteile bereits zu Lebzeiten des Erblassers zu Geld machen, indem sie sie an einen anderen Erbanwärter verkaufen.
II. Vertragsbeteiligte eines Erbschaftsvertrages
Rz. 240
Der Vertrag muss "unter" den zukünftigen gesetzlichen Erben (§ 1924 ff. BGB, § 10 LPartG) geschlossen werden; demnach müssen alle Vertragschließenden als gesetzliche Erben in Betracht kommen. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 zum 1.10.2017 sind gleichgeschlechtliche Partner Eheleuten gleichgestellt. Nicht erforderlich ist, dass alle Vertragsteile auch tatsächlich zur gesetzlichen Erbfolge berufen sind. Es genügt, wenn den Vertragsbeteiligten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die abstrakte Eigenschaft als gesetzliche Erben zukommt, mögen sie auch durch – selbst erst nach Vertragsschluss – errichtete Verfügung von Todes wegen berufen werden. Die Vorschrift betrifft Regelungen unter den "künftigen" Erben, also nicht nach dem Erbfall, sondern davor.
Auch wenn der Erblasser einer solchen Vereinbarung in einem Kombinationsvertrag (Erbvertrag und Erbschaftsvertrag) zustimmt, ändert dies an seiner Rechtsqualität nichts.
III. Vertragsgegenstand
Rz. 241
Über den auf Verträge über den gesetzlichen Erbteil oder den Pflichtteil beschränkten Wortlaut des § 311b Abs. 5 BGB hinaus lässt dieser nach einer – mit Hinblick auf den Normzweck des § 311b Abs. 5 BGB, eine vorzeitige Auseinandersetzung unter künftigen gesetzlichen Erben zu ermöglichen – Literaturansicht jede Art von Verpflichtungen über Verfügungen zu, die sich im quantitativen Rahmen des gesetzlichen Erbrechts des sich verpflichtenden künftigen gesetzlichen Erben halten, auch wenn sie testamentarische Erbteile oder Vermächtnisse zum Gegenstand haben. Der BGH hat dies bislang nur im Hinblick auf die testamentarische Erbfolge im vorgenannten Sinne entschieden.
Rz. 242
Die Praxis hat die Rechtsprechung zur betragsmäßigen Grenze zugrunde zu legen und ihre Einhaltung ggf. durch zusätzliche interne Ausgleichsverpflichtungen sicherzustellen.
Zulässiger Gegenstand eines Erbschaftsvertrags können insbesondere folgende Verpflichtungen sein:
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vollständige oder teilweise Abtretung des gesetzlichen Erb- oder Pflichtteils, z.B. als vorweggenommenes Ausscheiden eines künftigen Miterben aus der Erbengemeinschaft oder zum Zwecke einer Gleichstellung der Erben oder, höhenmäßig auf den gesetzlichen Erbteil begrenzt, eines letztwillig zugewandten Erbteils oder (str.) Vermächtnisses; |
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Ausübung erbrechtlicher Gestaltungsrechte wie Annahme/Ausschlagung der Erbschaft, (Nicht-)Geltendmachung des Pflichtteils, ggf. gegenständlich oder auf Pflichtteilsergänzungsansprüche beschränkt – praktisch zur Flankierung eines im Übertragungsvertrag von allen Erwerbern abgegebenen Pflichtteilsverzichts bedeutsam, damit die Erwerber sich gegenseitig dagegen absichern, dass einer von ihnen den Verzicht durch Aufhebungsvertrag mit dem Erblasser rückgängig macht; |
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Ausgleichungs- und Anrechnungsverträge i.S.v. §§ 2050 ff., 2315 ff. BGB; |
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Verträge über einzelne Nachlassgegenstände. |
Hinweis
§ 311b Abs. 5 BGB lässt nur schuldrechtliche Verträge zu. Verfügungen sind vor dem Erbfall nur über den Pflichtteil zulässig. Zur Absicherung der schuldrechtlichen Ansprüche empfiehlt sich in der Praxis eine unwiderrufliche Vollmacht zur Erfüllung.
IV. Notarielle Beurkundung
Rz. 243
Wird ...