(1) Allgemeines
Rz. 117
Sehr häufig bestimmen sich Erbrechtsstatut und Güterrechtsstatut nach verschiedenen Rechtsordnungen. Ursächlich dafür sind die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte der IPR-Vorschriften für Erbrecht und Güterrecht. Zusätzlich erschwert wird diese Frage dadurch, dass nicht selten das gesetzliche Erbrecht vom Güterrecht beeinflusst wird. Nach Art. 15, 14 EGBGB ist die Staatsangehörigkeit der Eheleute bzw. eines Ehegatten nicht der einzige Anknüpfungspunkt für das anzuwendende Güterrecht. Daneben kommen in Betracht der Wohnsitz, der Aufenthalt oder subsidiär sonstige "Sachnähe" zu einer konkreten staatlichen Rechtsordnung. Entscheidend beim Güterrechtsstatut ist jedoch, dass es unwandelbar ist und mit der Heirat erworben wird, Art. 15 Abs. 1 EGBGB.
(2) Wandelbarkeit des Erbrechtsstatuts
Rz. 118
Demgegenüber kann sich das Erbrechtsstatut wandeln, bspw. bei einem Wechsel der Staatsangehörigkeit durch den Erblasser und bei einer Rechtswahl bezogen auf das Erbrechtsstatut. Man spricht hier auch von "Normmangel", wenn das Erbrechtsstatut kein gesetzliches Erbrecht für den Ehegatten vorsieht, sondern vielmehr den überlebenden Ehegatten güterrechtlich beteiligt, so bspw. in Schweden, Frankreich, Belgien.
Rz. 119
Von "Normhäufung" wird gesprochen, wenn Erbrechts- und Güterrechtsstatut eine sowohl erbrechtliche wie güterrechtliche Beteiligung des überlebenden Ehegatten vorsehen. In solchen Fällen wird über das Rechtsinstitut der kollisionsrechtlichen Angleichung versucht, im konkreten Fall unter Wahrung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten die verschiedenen Rechtsordnungen und die jeweils zur Verfügung gestellten Rechtsinstitute zu harmonisieren.
(3) Sonderproblem: Pauschalierter Zugewinnausgleich
(a) Güterrechtliche oder erbrechtliche Qualifikation?
Rz. 120
Bei Geltung deutschen Rechts ist für den Fall des Eintritts gesetzlicher Erbfolge zu klären, ob der pauschalierte Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 1 BGB güterrechtlich oder erbrechtlich einzuordnen ist. Sehr häufig bestimmen sich Erbstatut und Güterrechtsstatut nach verschiedenen Rechtsordnungen. Ursächlich dafür sind die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte der IPR-Vorschriften für Erbrecht einerseits und für Güterrecht andererseits. Zusätzlich erschwert wird diese Frage dadurch, dass das gesetzliche Erbrecht vom deutschen Güterrecht beeinflusst wird. Nach Art. 15, 14 EGBGB ist die Staatsangehörigkeit der Eheleute bzw. eines von ihnen nicht der einzige Anknüpfungspunkt für das anzuwendende Güterrecht. Daneben kommen in Betracht der Wohnsitz, der Aufenthalt oder subsidiär sonstige "Sachnähe" zu einer konkreten staatlichen Rechtsordnung. Entscheidend beim Güterrechtsstatut ist jedoch, dass es unwandelbar ist – außer durch Ehevertrag – und mit der Heirat erworben wird, Art. 15 Abs. 1 EGBGB ("Versteinerungsgrundsatz" des Güterrechts).
Demgegenüber kann sich das Erbrechtsstatut wandeln, bspw. bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers und bei einer erbrechtlichen Rechtswahl.
(b) BGH: Griechisches Erbrecht – deutsches Zugewinnausgleichsrecht – Beschl. v. 13.5.2015:
Rz. 121
Zitat
"Der pauschale Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 1 BGB ist im Sinne der Artt. 15, 25 EGBGB rein güterrechtlich zu qualifizieren."
Aus den Gründen:
"… Ist deutsches Recht danach Güterstatut, so ist der Anwendungsbereich von § 1371 Abs. 1 BGB unabhängig vom einschlägigen Erbstatut eröffnet."
(c) Rechtsprechung des EuGH: Qualifikation der Zugewinnpauschale des § 1371 Abs. 1 BGB als erbrechtlich – Urt. v. 1.3.2018
Rz. 122
Zitat
"Art. 1 Abs. 1 [… der EuErbVO …] ist dahin auszulegen, dass eine nationale Bestimmung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, wonach beim Tod eines Ehegatten ein pauschaler Zugewinnausgleich durch Erhöhung des Erbteils des überlebenden Ehegatten vorzunehmen ist, in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt."
Der EuGH hat abweichend von der bisher für Deutschland h.M. entschieden. Hatte der BGH im Jahr 2015 für das deutsche internationale Privatrecht entschieden, dass § 1371 Abs. 1 BGB in internationalen Erbfällen güterrechtlich zu qualifizieren sei, so muss nun bei Anwendung der EuErbVO nach dem EuGH die Norm erbrechtlich qualifiziert werden.
Die Sache war vom KG vorgelegt worden im Zusammenhang mit der Frage, ob im ENZ das Erhöhungsviertel aus § 1371 Abs. 1 BGB auszuweisen ist oder nicht, weil der BGH dieses Viertel nicht als erbrechtlich, sondern als güterrechtlich qualifiziert hatte. Nach EuGH ist das Viertel in das ENZ aufzunehmen.
Die Reichweite der Entscheidung für § 1371 Abs. 1 BGB ist jenseits des ENZ begrenzt. Einzig relevant ist der Fall, dass deutsches Güterrecht neben ausländischem Erbrecht zur Anwendung kommt und der überlebende Ehegatte Erbe aufgrund gesetzlicher Erbfolge ist, da nur in diesem Fall der Erbteil des Ehegatten gem. § 1371 Abs. 1 BGB erhöht wird. Liegt ein solcher Fall vor, nimmt die Entscheidung des EuGH dem überlebenden Ehegatten seine güterrechtliche Position, nämlich ein Viertel der Erbschaft des Verstorbenen. Nach dem Wortlaut des § 1371 BGB und gewiss a...