1. Allgemeines
Rz. 162
Die durch vertragsmäßige Verfügung erzeugte Bindungswirkung muss nicht in jedem Fall endgültig sein. Das Gesetz sieht drei Möglichkeiten vor, wie der Erblasser die eingetretene Bindung beseitigen und er seine durch den Erbvertrag eingeschränkte Testierfreiheit wieder erlangen kann:
Allerdings kann die Bindung nicht beseitigt werden, ohne dem Vertragspartner davon Kenntnis zu geben.
Rz. 163
Fraglich ist, ob der Erblasser sich eine weitere Möglichkeit der Lösung von der Bindung durch einen sog. Änderungsvorbehalt eröffnen kann.
Mancher Erblasser wünscht sich, einen Erbvertrag durch einfaches Testament wieder ändern zu können. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung hierzu fehlt. In der Literatur und in der Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, dass ein solcher Änderungsvorbehalt zulässig ist, seine Grenzen sind jedoch umstritten. Unklar ist auch, wie sich ein Änderungsvorbehalt auf die Vertragsmäßigkeit erbvertraglich getroffener Verfügungen auswirkt.
2. Zulässigkeit des Änderungsvorbehalts
Rz. 164
In Rechtsprechung und Literatur bestehen keine Zweifel an der grundsätzlichen Zulässigkeit eines Änderungsvorbehalts. Begründet wird diese Zulässigkeit mit der Vertragsfreiheit, die auch für den Erbvertrag gelte.
Der BGH führt in seinem Urt. v. 2.12.1981 u.a. aus:
Zitat
"Vielmehr kann dem Erblasser in dem Erbvertrag das Recht vorbehalten werden, die Rechte vertragsmäßig Bedachter in gewissem Umfang durch nachträgliche letztwillige Verfügungen zu beeinträchtigen und sie etwa mit bestimmten Vermächtnissen (zusätzlich) zu beschweren oder mit zu beschweren …"
Die Rechtsprechung hat sich immer wieder mit Änderungsvorbehalten zu befassen, die nicht genau genug gefasst sind. Deshalb ist dem Rechtsgestalter dringend anzuraten, Änderungsvorbehalte so präzise wie möglich zu formulieren.
3. Grenzen des Änderungsvorbehalts
Rz. 165
Ungeklärt sind die Frage der Reichweite eines solchen Änderungsvorbehalts und die Frage, welchen Inhalt er haben kann, insbesondere, ob jegliche Änderung einer vertragsmäßig getroffenen Verfügung zulässig ist. Dabei ist entscheidend, dass der Erbvertrag als besondere Einrichtung des Vertragsrechts zumindest einer (!) vertraglich bindenden Regelung bedarf, weil andernfalls das essenzielle Charakteristikum eines Vertrags, nämlich seine Bindung, beseitigt würde. Deshalb wird ein Änderungsvorbehalt nur dann für zulässig gehalten, wenn beim Erblasser noch eine gewisse vertragliche Bindung bestehen bleibt. Dies bedeutet wiederum, dass ein Änderungsvorbehalt nicht so weit gehen kann, dass der Erblasser dadurch seine gesamte Testierfreiheit, deren er sich durch die eingegangene Bindung teilweise begeben hat, wieder erlangt. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn eine vertragsmäßige Verfügung ohne Änderungsvorbehalt bestehen bleibt, sondern auch, wenn die Änderung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich oder inhaltlich beschränkt ist, da auch im letzteren Fall der Erblasser in seiner Gestaltungsfreiheit beschränkt ist. Eine auf Seiten des Vertragspartners erlangte vertragliche Position muss diesem erhalten bleiben, andernfalls entfiele das vertragstypische Merkmal schlechthin.
Rz. 166
Die Rechtsprechung orientiert sich bei der Bestimmung der Grenzen eines Änderungsvorbehalts an dem Charakteristikum der erbvertraglichen Bindung. Der BGH betont, dass der Erbvertrag durch den Vorbehalt seines vertraglichen Wesens nicht entkleidet werden dürfe. Dies sei aber dann der Fall, wenn für den Erblasser keine Bindung mehr bestehe. Deshalb müsse der Vorbehalt wenigstens eine für den Erblasser bindende Verfügung i.S.d. § 2278 Abs. 2 BGB bestehen lassen. In der beratenden Praxis muss deshalb streng darauf geachtet werden, dass wenigstens eine einzige vertragsmäßige Verfügung im Erbvertrag nicht vom Änderungsvorbehalt erfasst wird. So hat der BGH einen Vorbehalt, die Schlusserbeneinsetzung jederzeit abändern zu können, als zulässig erachtet, weil daneben noch eine vorbehaltlose gegenseitige Erbeinsetzung der Vertragschließenden im Erbvertrag enthalten war. Enthält ein Erbvertrag nur eine einzige vertragsmäßige Verfügung, dann darf der Vorbehalt nur so weit reichen, dass der Erblasser den Inhalt der Verfügung nicht vollkommen abändern kann; ein unabänderbarer Teil muss bestehen bleiben. Der BGH führt au...