I. Grundsätzliches
Rz. 8
Erlangt das Nachlassgericht Kenntnis vom Vorliegen einer letztwilligen Verfügung und liefert der Besitzer diese nicht ab, so ergeht eine Ablieferungsanordnung, § 358 FamFG. Demnach wird der Besitzer des Testaments aufgefordert, dieses unverzüglich, spätestens binnen einer bestimmten Frist, beim Nachlassgericht abzuliefern. Darüber hinaus soll der Besitzer gegebenenfalls weitere Angaben entsprechend einem Fragebogen des Nachlassgerichts machen.
II. Durchsetzung
Rz. 9
Wird nach Ablauf der in der Ablieferungsanordnung gesetzten Frist das Testament gleichwohl nicht abgeliefert, kann das Amtsgericht die Ablieferung erzwingen, §§ 358, 86 FamFG.
Dazu kann ein Zwangsgeld angedroht und festgesetzt werden, § 35 Abs. 1 und 3 FamFG. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25.000 EUR nicht übersteigen, § 35 Abs. 3 S. 1 FamFG.
Das Nachlassgericht kann aber auch unmittelbaren Zwang anwenden, § 35 Abs. 4 FamFG i.V.m. § 883 ZPO. Es wird dann der Gerichtsvollzieher beauftragt, das Testament dem Besitzer wegzunehmen.
Rz. 10
Schließlich besteht noch die Möglichkeit, dass das Nachlassgericht den Besitzer zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über den Verbleib der letztwilligen Verfügung anhält, § 35 Abs. 4 FamFG i.V.m. § 883 Abs. 2, 3 ZPO. Der mutmaßliche Besitzer muss dann versichern, "dass er das Testament nicht besitze und nicht wisse, wo es sich befinde", § 883 Abs. 2 ZPO. Für das Verfahren gelten im Übrigen die §§ 883 Abs. 2, 3, 478–480, 483 ZPO. Es handelt sich bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 35 Abs. 4 FamFG i.V.m. § 883 ZPO um ein eigenständiges Verfahren, das neben der eidesstattlichen Versicherung nach § 352 Abs. 3 FamFG zu sehen ist. Obwohl es sich um ein Amtsverfahren handelt, können die Beteiligten die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung anregen.
III. Muster: Ablieferung eines Testaments beim Nachlassgericht
Rz. 11
Muster 4.3: Ablieferung eines Testaments beim Nachlassgericht; Antrag (Anregung) auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 35 Abs. 4 FamFG i.V.m. § 883 ZPO
Muster 4.3: Ablieferung eines Testaments beim Nachlassgericht; "Antrag" (Anregung) auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 35 Abs. 4 FamFG i.V.m. § 883 ZPO
An das
Amtsgericht
– Nachlassgericht –
_________________________
Ablieferung eines Testaments gem. § 2259 BGB; Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach §§ 358 Abs. 1, 35 Abs. 4 FamFG i.V.m. § 883 Abs. 2 ZPO
Nachlasssache _________________________
Unter Vorlage der beiliegenden Vollmacht zeige ich die Vertretung der Frau _________________________ an.
Der Erblasser errichtete am _________________________ ein privatschriftliches Testament, das er in seinem Tresor in seiner Villa in _________________________ aufbewahrte. Es besteht Grund zu der Annahme, dass die Lebensgefährtin des Erblassers, Frau _________________________, die vor und auch nach dem Tod des Erblassers in der genannten Villa wohnt, die letztwillige Verfügung in Besitz hat. Trotz mehrfacher Aufforderung, auch unter Hinweis auf § 2259 BGB, das Testament abzuliefern, erfolgte keine Reaktion der Frau _________________________. Ich beantrage daher, der Frau _________________________ gem. §§ 358 Abs. 1, 35 Abs. 3 FamFG i.V.m. § 883 Abs. 2 ZPO die Abgabe folgender eidesstattlichen Versicherung aufzuerlegen:
"Ich versichere an Eides statt, dass ich die Testamentsurkunde des _________________________ vom _________________________ nicht besitze und auch nicht weiß, wo sie sich befindet."
Sollte Frau _________________________ zu dem dazu anberaumten Termin nicht erscheinen oder ohne Grund die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verweigern, wird weiters beantragt, zur Erzwingung der Abgabe die Haft anzuordnen.
(Rechtsanwalt)
IV. Muster: Anordnung der Wegnahme des Testaments
Rz. 12
Muster 4.4: Anordnung der Wegnahme des Testaments
Muster 4.4: Anordnung der Wegnahme des Testaments
VI _________________________
Beschluss
In der Nachlasssache _________________________
wird angeordnet, dass der Gerichtsvollzieher dem Beteiligten _________________________ das Testament des Erblassers vom _________________________ wegnimmt und dem Nachlassgericht _________________________ übergibt.
Ist das Testament nicht mehr auffindbar, hat der Beteiligte _________________________ zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er das Testament nicht besitze und auch nicht wisse, wo sich das Testament befinde.
Der Beteiligte _________________________ trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtsbehelfsbelehrung
_________________________
(Richter am Amtsgericht)
Rz. 13
Das Nachlassgericht ist zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung zuständig. Funktionell obliegt sie dem Rechtspfleger, § 3 Nr. 2 lit. c RPflG. Dieser lädt den mutmaßlichen Besitzer zur Abgabe der Versicherung, § 35 Abs. 4 FamFG i.V.m. §§ 883, 802f ZPO. Erscheint dieser daraufhin nicht zum Termin oder verweigert er die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung grundlos, so kann von Amts wegen Haft angeordnet werden. Hierfür ist dann nicht der Rechtspfleger, sondern der Richter zuständig, § 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 RPflG.
Für den Vollzug des Haftbefehls beauftragt das Gericht den Ger...