Rz. 991

Stellt sich zu einem späteren Zeitpunkt heraus, dass ein Schadenfall (z.B. als Nothilfe, Arbeitsunfall oder Wegeunfall) in die Zuständigkeit der gesetzlichen Unfallversicherung gehört, stellt sich die Anspruchsberechtigung u.a. der gesetzlichen Krankenkasse als von Anfang fehlend heraus.[598]

 

Rz. 992

Leistungen, die die Krankenkasse (und gegebenenfalls die Pflegekasse außerhalb der RV-Beiträge) tatsächlich erbracht hat, sind ihr vom UVT zu erstatten. Im Verhältnis zum Schadenersatzpflichtigen stehen der Krankenkasse aus keinem Rechtsgrund Ansprüche zu.[599] Das gilt auch für den Fall, dass die Krankenversicherung nicht alle ihre Aufwendungen (z.B. aufgrund interner Vereinbarung mit der Unfallversicherung ambulante Behandlungskosten) nicht erstattet (siehe § 105 SGB X) erhält.[600]

 

Rz. 993

Ein Abfindungsvergleich zwischen Krankenkasse und Ersatzpflichtigen (insbesondere Haftpflichtversicherer) ist unwirksam (§ 779 BGB) und bindet insbesondere nicht die Unfallversicherung.[601] Auch wird der Verjährungslauf weder durch Handlungen des unzuständigen Trägers noch Handlungen des Ersatzpflichtigem diesem Träger gegenüber beeinträchtigt.[602]

 

Rz. 994

Soweit der Ersatzpflichtige an die Krankenkasse leistete, steht ihm ein Rückforderungsrecht nach § 812 BGB zu, dem allerdings z.B. bei Versäumung der Fristen (§§ 111, 113 SGB X) im Verhältnis der SVT zueinander § 242 BGB im Einzelfall entgegenstehen kann.

 

Rz. 995

Zum Interessenausgleich führt der BGH aus:[603]

Zitat

Die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 812 I BGB sind grundsätzlich sowohl hinsichtlich der Leistungen der Klägerin (Haftpflichtversicherung) aufgrund des Teilungsabkommens als auch der Leistungen aufgrund des Abfindungsvergleichs zu bejahen.

Eine abschließende Entscheidung über den Klageanspruch hängt allerdings davon ab, ob und gegebenenfalls inwieweit sich die Beklagte (Krankenkasse) zu Recht auf Entreicherung (§ 818 III BGB) beruft. Diese Einrede kann grundsätzlich auch ein in Anspruch genommener Sozialleistungsträger erheben (BGH VersR 1969, 1141, 1142).[604] Im vorliegenden Fall könnte sich die Entreicherung der Beklagten daraus ergeben, dass ihr Erstattungsanspruch gegen den Streithelfer (gesetzliche Unfallversicherung) aus § 105 SGB X wegen Versäumung der einzuhaltenden Fristen (§§ 111, 113 SGB X) ausgeschlossen ist, wobei möglicherweise die Ursache der Fristversäumung in Betracht gezogen werden muss (§§ 818 IV, 819 BGB).

Erheblich ist auch der Einwand der Beklagten, das Rückforderungsverlangen der Klägerin sei treuwidrig, weil sie, obwohl sie für die Folgen des Unfalls des R. (verletzte Person) umfassend einstandspflichtig sei, durch die gestaffelte Rückabwicklung hinsichtlich der von der Beklagten erbrachten Leistungen zumindest teilweise grundlos entlastet werde (§ 242 BGB). Dies kann dem Bereicherungsanspruch der Klägerin je nach den besonderen Umständen des Falls entgegenstehen. Die Grundsätze von Treu und Glauben beanspruchen gerade im Bereicherungsrecht unter dem Blickpunkt der Billigkeit in besonderem Maße Geltung (vgl. etwa BGHZ 132,198, 215; BGH WM 1978, 708, 711).[605]

 

Rz. 996

Bei Unzuständigkeit fehlt jegliche Forderungsberechtigung des SVT[606] (egal ob Arbeitsamt, Krankenkasse, RVT oder UVT), deshalb hat der an den (wie sich erst später herausstellt) objektiv unzuständigen Sozialträger leistende Haftpflichtversicherer einen Rückforderungsanspruch aus § 812 BGB (siehe auch Rn 442 ff.).

Diesem Herausgabeanspruch nach § 812 BGB kann der "falsche" Sozialträger entgegenhalten, der Haftpflichtversicherer verdiene an seiner (Sozialträger) Unzuständigkeit. Mit diesem auf § 242 BGB gestützten Einwand kann der "falsche" SVT den an ihn gezahlten Betrag in derjenigen Höhe behalten, die derjenigen Leistung des Haftpflichtversicherers entspricht, hätte dieser den gesamten Schaden mit dem richtigen SVT von Anfang an abgewickelt (dabei ist aber der Rechtslage bzw. einem etwaigen Teilungsabkommen mit dem richtigen SVT Rechnung zu tragen; es darf zu keiner Mehrbelastung des Haftpflichtversicherers führen), beschränkt allerdings auf die tatsächliche Leistung an den "falschen" SVT (Abweichungen können hier – aber nur zugunsten des Haftpflichtversicherers – sich aus einem Teilungsabkommen ergeben).
Um es auf einen Nenner zu bringen: Entscheidend ist allein für die Betrachtung des § 242 BGB die finanzielle Situation des erstattungspflichtigen Schädigers. Es kommt nur darauf an, dass dessen Schadenakte exakt die dieselbe Ausgabe enthält als ob er sofort mit dem richtigen SVT abgewickelt hätte.
 

Rz. 997

Anmerkung: Sind noch keine Zahlungen zwischen Schädiger und Krankenkasse geflossen (z.B. weil ein Sozialgerichtsverfahren zur Zuständigkeit des UVT abgewartet wurde) und hat die Krankenkasse bereits Aufwendungen getätigt, die ihr nach späterer Anerkennung als Arbeitsunfall vom UVT nicht ersetzt werden (Grund ist häufig eine Vereinbarung zwischen UVT und Krankenkasse, aber auch ein Verjährung nach § 111 SGB X (siehe auch Rn 1000 ff.), entfällt ein Anspruch...

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