(1) Personenkreis

 

Rz. 1070

Erwerbsunfähige erhalten anstelle von ALG II Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII.[662]

 

Rz. 1071

Auch Ausländer, die sich in Deutschland aufhalten, haben nach § 23 SGB XII (§ 120 I BSHG) Anspruch u.a. auf Hilfen zum Lebensunterhalt und Krankenhilfe. Ausgeschlossen sind dabei allerdings Leistungsberechtigte nach § 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), § 23 II SGB XII.

[662] Siehe auch OLG Köln v. 27.1.2009 – 3 U 124/08 – JMBl NW 2009, 210 = OLGR 2009, 611 = r+s 2009, 435 zur Kongruenz von ALG II.

(2) Bedürftigkeit

 

Rz. 1072

Anspruchsberechtigt ist derjenige, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausschließlich aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten kann, § 19 I SGB XII (§ 11 BSHG). Grundsätzlich wird jedes Einkommen und Vermögen angerechnet (zur Berechnung im Einzelnen siehe §§ 82 ff. SGB XII). Auch Vermögen von ehelichen und nicht-ehelichen Partnern wird – wie im SGB II – berücksichtigt (§§ 19 I 2, 20,[663] 36 SGB XII).

[663] § 20 SGB XII setzt inhaltsgleich § 122 BSHG fort (BT-Drucks 15/1514, S. 57).

(3) Einkommen

 

Rz. 1073

Grundsätzlich wird jedes Einkommen und Vermögen angerechnet (zur Berechnung im Einzelnen siehe §§ 82 ff. SGB XII, §§ 76 ff. BSHG). Einige Vermögensgegenstände und Einnahmen sind allerdings geschützt.

 

Rz. 1074

Schmerzensgeld gehört zum Schonvermögen i.S.d. Sozialhilferechtes und ist nur eingeschränkt mit Sozialhilfeleistungen verrechenbar. Entschädigungen nach § 253 II BGB[664] (Unfälle nach dem 31.7.2002) bzw. § 847 BGB a.F. (Unfälle bis zum 1.8.2002) sind nicht als Einkommen im Rahmen des BSHG zu berücksichtigen; § 83 II SGB XII ist deckungsgleich mit § 77 II BSHG.[665] Die Verwertung eines aus einer Schmerzensgeldzahlung stammenden Vermögens bedeutet eine nicht hinzunehmende Härte (§ 12 III 1 Nr. 6 SGB II), soweit sich das Vermögen in seiner vorhandenen Höhe eindeutig auf die Schmerzensgeldzahlung nach § 253 II BGB zurückführen lässt.[666] Zinseinnahmen aus dem angelegten Schmerzensgeldkapital sind jedenfalls dann nicht anzurechnen, wenn sie die Grundrente nach § 31 BVG nicht überschreiten.[667] Bei der Berechnung von Wohngeld[668] und in der Grundsicherung für Arbeitsuchende[669] sind Zinseinkünfte aus angelegtem Schmerzensgeld als Einkommen zu berücksichtigen.

 

Rz. 1075

Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung sind, da es sich um eine Summenversicherung handelt, nicht zu Lasten des Verletzten auf Schadenersatzleistungen anzurechnen. Auch geht der Anspruch auf Leistungen aus einem privaten Unfallversicherungsvertrag nicht nach § 116 SGB X auf einen SHT über.[670]

 

Rz. 1076

Die Grundrente nach BVG (oder nach Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen) zählt nicht zum Einkommen. Verletztenrenten sind demgegenüber ungekürzt als Einkommen auf Sozialhilfeleistungen anzurechnen,[671] da eine Gleichstellung mit der BVG-Grundrente mangels Vorliegen einer vom Gesetzgeber in §§ 76, 77 BSHG und § 82 SGB XII[672] übersehenen Gesetzeslücke nicht möglich ist.[673]

[664] Gleiches muss für die in Sondergesetzen enthaltenen Schmerzensgeldvorschriften gelten. Die Nicht-Erwähnung in § 77 BSHG und § 83 SGB XII ist m.E. ein offensichtliches gesetzgeberisches Versehen (Heß/Jahnke S. 85 f. zu § 77 BSHG).
[665] BT-Drucks 15/1514, S. 65.
[666] BSG v. 22.8.2012 – B 14 AS 103/11 R – jurisPR-SozR 9/2013 Anm. 2 (Anm. Berlit) = SozR 4–4200 § 11 Nr. 56, BSG v. 15.4.2008 – B 14/7b AS 6/07 R – FEVS 60, 1 = NZA 2008, 928 (Die Berücksichtigung eines aus einer Schmerzensgeldzahlung stammenden Vermögens bedeutet i.d.R. eine besondere Härte für den ALG II-Bezieher); BVerwG v. 18.5.1995 – 5 C 22/93 – BVerwGE 98, 256 = MDR 1996, 864 = NJW 1995, 3001 (Einsatz von Schmerzensgeld als Vermögen bedeutet für den Hilfesuchenden grundsätzlich eine Härte i.S.v. § 88 III BSHG).
[667] Vgl. BSG v. 15.4.2008 – B 14/7b AS 6/07 R – FEVS 60, 1 = NZA 2008, 928 (Auch angespartes Schmerzensgeld ist geschützt), BSG v. 20.2.1991 – 11 RAr 109/89 – BSGE 68, 148 = FamRZ 1992, 810 = SGb 1992, 84 (Bieback SGb 1992, 88), BSG v. 17.10.1990 – 11 RAr 133/88 – SuP 1991, 506 (Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg v. 13.9.1988 – L 5 Ar 1758/86 – Bibliothek BSG Justiz 1990, 37); BVerwG v. 18.5.1995 – 5 C 22/93 – BVerwGE 98, 256 = DÖV 1995, 869 = DVBl 1995, 1191 = FamRZ 1995, 1348 = MDR 1996, 864 = NJW 1995, 3001 = NVwZ 1996, 67 (nur Ls.) (Vorinstanz: OVG Lüneburg v. 24.3.1993 – 4 L 2065/92 –); LSG Saarland v. 18.2.1994 – L 2 Ar 35/92 – Breith 1995, 279 (Arbeitslosenhilfe); OVG Lüneburg v. 25.10.1974 – IV A 14/74 – FEVS 24, 276 = VersR 1976, 350 (Offengelassen, ob ein Hilfesuchender ein besonders hohes Schmerzensgeld teilweise einsetzen muss), VGH Baden-Württemberg v. 25.5.1993 – 6 S 3184/91 – FEVS 44, 290 = NVwZ 1994, 308 (nur Ls.); OLG Nürnberg v. 19.12.1979 – 4 U 22/79 – VersR 1980, 1149 (Nur allmählicher Forderungsübergang auf SHT). Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Jahnke, § 253 BGB Rn 71 ff.
[668] BVerwG v. 9.2.2012 – 5 C 10/11 – BVerwGE 142, 10 = DÖV 2012, 491 (nur Ls.) = DÖV 2012, 491 (nur Ls.) = DVBl 2012, 566 = jurisPR-BVerwG 16/2012 Anm. 1 (...

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