aa) Einleitung
Rz. 610
Der Gesetzgeber hat sich für ein eigenes Buch im Sozialgesetzbuch (SGB II) entschieden, weil mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht nur eine neue Transferleistung entstand, sondern ein völlig neues Leistungssystem geschaffen wurde. Dieses Leistungssystem umfasst Eingliederungsleistungen und Transferleistungen. Das Gesetz sieht finanzielle Anreize zur Unterstützung der Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt vor, mit denen die Eigeninitiative gefördert werden soll, begleitet von Sanktionen (Leistungskürzungen) bei Ablehnung von zumutbarer Erwerbstätigkeit oder Eingliederungsmaßnahmen.
Rz. 611
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende umfasst
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vorrangig Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfsbedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit (§ 1 II Nr. 1 SGB II, § 19a I Nr. 1 SGB I), |
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Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 1 II Nr. 2 SGB II, § 19a I Nr. 2 SGB I). |
bb) Leistungsträger
Rz. 612
Für die jeweiligen Leistungen zum Lebensunterhalt und die Hilfsangebote zur Überwindung der Arbeitslosigkeit waren zuvor verschiedene staatliche Träger zuständig, die durchaus die Tendenz hatten, zur Vermeidung ihrer jeweiligen finanziellen Belastung Betroffene auf die jeweiligen Leistungspflichten der/des anderen zu verweisen.
Rz. 613
Als Leistungsträger sieht das SGB II nebeneinander vor:
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Die Grundsicherung für Arbeitssuchende wird grundsätzlich (soweit keine Zuweisung zu einem kommunalen Träger vorgenommen ist) von der Bundesagentur für Arbeit (§ 367 SGB III) erbracht (§ 6 Nr. 1 SGB II, § 19a II SGB I), deren Aktivitäten unter das Motto "Arbeit statt passiver Leistung" gestellt sind. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt § 36 SGB II nach dem "gewöhnlichen Aufenthalt" des Hilfebedürftigen. |
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Kommunale Träger (kreisfreie Städte und Kreise) bzw. durch Landesrecht bestimmte Träger werden eingebunden und können anstelle der Bundesagentur zuständig sein (§ 6 I Nr. 2 SGB II, § 19a I Nr. 1 SGB I), und zwar kraft Gesetzes (Leistungen nach § 16 II 2 Nr. 1 – 4, 22, 23 III SGB II) oder auf Wunsch (§ 6a SGB II) mit Zustimmung ihrer Landesregierung (§ 6a IV SGB II) (zu Einzelheiten siehe § 6a SGB II). Die nach § 6a SGB II zugelassenen kommunalen Stellen haben die Rechte und Pflichten der Agentur für Arbeit (§ 6b I 2 SGB II). |
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Nach § 44b SGB II (siehe zur örtlichen Zusammenarbeit auch § 18 SGB II) errichten die Leistungsträger (§ 88 SGB X) – außerhalb des § 6a SGB II, § 44b V SGB II – zur Wahrnehmung der Aufgaben nach dem SGB II Arbeitsgemeinschaften in den ab 1.1.2005 als einheitliche Anlaufstelle neu eingerichteten Jobcentern (§ 9 Ia SGB III). Denkbar sind alle möglichen juristischen Strukturen: GmbH, GbR pp. |
Rz. 614
Arbeitsverwaltung und Sozialhilfe sind anders strukturiert als die Sozialversicherung im Übrigen. Leistungsberechtigt sind – abweichend vom in der Sozialversicherung ansonsten geltenden Grundsatz – nicht nur Beitragspflichtige, sondern in Teilbereichen alle Jugendlichen und Erwachsenen unabhängig von vorheriger Beitragszahlung (Forderungsübergang bei Absehbarkeit der Eintrittspflicht) und Nationalität. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende wird wie die Sozialhilfe als Sicherung des Existenzminimums nicht durch Beiträge finanziert, sondern aus Steuermitteln.
cc) Leistung
Rz. 615
Der Antrag hat konstitutive Wirkung. Ohne Antrag werden keine Leistungen erbracht, § 37 SGB II.
(1) ALG II (§§ 19 ff. SGB II)
Rz. 616
Kern der Hartz IV-Reform war die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebedürftige zu einer neuen Leistung, nämlich der Grundsicherung für Arbeitssuchende (= ALG II), systematisch wäre die Bezeichnung "Sozialhilfe II" besser gewesen.
(a) Personenkreis
Rz. 617
Die Anspruchsberechtigten sind gesetzlich definiert als Personen, die (kumulative Voraussetzungen)
Rz. 618
Keine Leistungen erhalten u.a. Auszubildende mit Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG oder nach §§ 57, 58 SGB III (§ 7 V, VI SGB II). Ebenfalls keine Leistungen erhalten Personen, die länger als 6 Monate in ei...