I. Allgemeines
Rz. 1
Die Gebühren in familienrechtlichen Mandaten berechnen sich i.d.R. nach dem Gegenstandswert. Eine Ausnahme bilden hier z.B. Festgebühren bei Beratungshilfe. Die Wertberechnung ist daher in der Praxis ein sehr wichtiges Thema, vor allem im Familienrecht, da hier eine Fülle an Wertvorschriften existiert. Darüber hinaus gibt es zu diesen Wertbestimmungen eine schier endlose Anzahl an Rechtsprechung; hier treten regionale Unterschiede oft besonders deutlich zu Tage.
Rz. 2
Auch in den Fällen, in denen der Rechtsanwalt eine Vergütungsvereinbarung abschließt, ist eine fundierte Kenntnis der Gegenstandswertberechnung notwendig, da er nur so ermitteln kann, ob und wann für ihn der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung wirtschaftlich sinnvoll ist. Darüber hinaus darf mit der Vergütungsvereinbarung keine Unterschreitung der gesetzlichen Gebühren erfolgen, wenn es sich um die Tätigkeit für ein gerichtliches Verfahren handelt, § 49b Abs. 1 BRAO (Ausnahmen: Einzelfall am Ende des Mandats gem. § 49b Abs. 1 BRAO oder auch bei Vereinbarung eines erlaubten Erfolgshonorars, vgl. dazu § 4a RVG). Für außergerichtliche Angelegenheiten ist eine Gebührenunterschreitung im Rahmen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 RVG zulässig.
II. Hinweispflicht zur Abrechnung nach Gegenstandswert
Rz. 3
§ 49b Abs. 5 BRAO verpflichtet Anwälte bei Wertgebühren auf die Tatsache, dass sich diese nach Wert richten, hinzuweisen:
(5) Richten sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert, hat der Rechtsanwalt vor Auftragsannahme den Auftraggeber hierauf hinzuweisen.
Rz. 4
Der Gesetzgeber wollte durch diese Bestimmung die Anwaltschaft veranlassen, über ihre Vergütung mit dem Auftraggeber zu sprechen.
Rz. 5
Der Gesetzgeber fordert zudem, dass der Hinweis "vor" Auftragserteilung erfolgt. In der Praxis herrscht Einigkeit darüber, dass dies nicht immer leicht umsetzbar ist. Denn in der Regel spricht der Rechtsanwalt mit seinem Mandanten zunächst über sein Anliegen (und ist möglicherweise bereits mitten in der Beratung) statt ihn überfallartig nach dem Grund seines Besuchs zu fragen, um dann sofort einen Hinweis auf die Wertabrechnung zu geben. Im Hinblick auf die Rechtsfolgen einer schuldhaften Pflichtverletzung kann man für die Praxis jedoch nur den eindringlichen Tipp geben, die Hinweispflicht ernst zu nehmen, denn eine Verletzung hat nicht nur berufsrechtliche Konsequenzen, sondern möglicherweise auch zivilrechtliche Folgen für den Vergütungsanspruch selbst, siehe Rdn 8 unten.
Rz. 6
Nicht notwendig ist der Hinweis auf die konkrete Höhe des Gegenstandswertes! Dieser kann oft vor Auftragsannahme auch gar nicht beziffert werden, da sich erst im Laufe des Gesprächs oder gar später herausstellt, wo der Gegenstandswert anzusiedeln ist. Dies gilt insbesondere beim Zugewinnausgleich.
Rz. 7
Welche Folgen hat eine Verletzung dieser Hinweispflicht?
In den vielen Fällen keine, weil der Auftraggeber die Vergütungsrechnung einfach bezahlt. Zahlt der Auftraggeber jedoch die Rechnung nicht und kommt es zu einem Vergütungsprozess, wird der ehemalige Mandant – inzwischen anderweitig anwaltlich vertreten – i.d.R. den Einwand bringen, dass der Hinweis nicht erteilt wurde.
Rz. 8
Durch Rechtsprechung des BGH ist inzwischen klargestellt, dass eine Verletzung der Hinweispflicht zur Abrechnung nach dem Gegenstandswert möglicherweise zu einem Schadensersatzanspruch des Mandanten führt.
Rz. 9
Zitat
"Der Rechtsanwalt, der den Mandanten vor Übernahme des Auftrags schuldhaft nicht darauf hinweist, dass sich die für seine Tätigkeit zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, ist dem Mandanten zum Ersatz des hierdurch verursachten Schadens verpflichtet."
Der BGH stellte klar, dass auch die Verletzung von Berufspflichten, die seinem Schutz dienen, Schadensersatzansprüche des Mandanten begründet. Der Anwalt haftet dann nach den Grundsätzen zum Verschulden bei Vertragsschluss nach § 311 Abs. 2 BGB.
Rz. 10
Nach Ansicht des BGH reicht ein allgemeiner Hinweis darauf, dass sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten; eine konkrete Berechnung des Wertes oder der Vergütung muss nicht vorgenommen werden. Vor allem ist der Anwalt nicht verpflichtet, ohne weitere Nachfrage des Mandanten weitere Angaben zur Höhe der Gebühren oder des Gegenstandswertes zu machen. Der BGH weist darauf hin, dass zwar Schadensersatzansprüche bei fehlendem Hinweis begründet werden könnten, allerdings § 49b Abs. 5 BRAO kein gesetzliches Verbot enthalte und § 134 BGB finde daher keine Anwendung finde. Der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts entfällt somit nicht durch einen Verstoß gegen die vorvertragliche Hinweispflicht. Er kann aber ggf. durch Aufrechnungserklärung ganz oder teilweise erlöschen.
Rz. 11
Nach Ansicht des BGH muss der Mandant vortragen und ggfs. unter Beweis stellen, wie er auf eine allgemeine Information des Anwalts zur Abrechnung nach dem Gegenstandswert reagiert hätte. Dazu gehört m.E. auch, dass der Mandant vortragen muss, ob und ggf. in welcher Höhe die Verletzung der Hinweispflicht des Anwalts zu einem Schaden geführt hat. Ein...