Rz. 223
Die Bewertung eines – auch unbezifferten Leistungsantrags – im Rahmen eines Stufenantrags ist gem. § 34 FamGKG zum Zeitpunkt der Einreichung vorzunehmen. Kommt es im Laufe des Verfahrens aus verschiedenen Gründen nicht zu einer Bezifferung des Leistungsantrags, muss für den unbezifferten Leistungsantrag gleichwohl ein Wert angesetzt werden, da der Leistungsantrag mit Einreichung bereits anhängig gemacht worden ist.
Rz. 224
Wertbestimmend bleibt selbst nach der älteren Rechtsprechung auch bei derartigen Verfahren der (erwartete) Leistungsanspruch als höchster Einzelanspruch. Der erwartete Leistungsanspruch ist auch dann maßgeblich, wenn die tatsächliche Bezifferung nach Auskunftserteilung dahinter zurückbleibt.
Rz. 225
Erst nach Ansatz eines Werts für den Leistungsantrag kann dann festgestellt werden, welcher der Anträge nach § 38 FamGKG tatsächlich zählt, weil er der höhere ist. Indiz für die Vorstellungen sind insbesondere außergerichtliche Aufforderungsschreiben.
Rz. 226
Bei sogenannten "stecken gebliebenen Stufenanträgen", d.h. Stufenanträge, die nicht weiter verfolgt werden, da sich nach Auskunftserteilung ergibt, dass ein Leistungsanspruch nicht besteht, wird oft allein der Auskunftsanspruch bewertet. Gerichte setzen häufig in derartigen Fällen, in denen es nicht mehr zu einer Bezifferung des Leistungsantrags kommt, lediglich einen Wert von 1.000,00 EUR fest, sofern es sich um ein isoliertes Verfahren handelt und im Verbund darüber hinaus oft sogar lediglich 500,00 EUR. Diese Vorgehensweise ist nach meiner Auffassung nicht korrekt, da auch der Leistungsantrag, selbst wenn er noch nicht beziffert worden ist, mit dem Antrag anhängig wird.
Rz. 227
Diese Auffassung wird nicht von allen Gerichten geteilt. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass der stecken gebliebene Leistungsanspruch nicht höher als der Auskunftsanspruch sein kann. Dieser Auffassung, die insbesondere auch das Kostenrisiko der Antrag stellenden Partei anspricht, ist m.E. nicht zu folgen. Denn in der Regel verursacht ja gerade der Auskunftsverpflichtete den Stufenantrag und wird bei vermögensrechtlichen Angelegenheiten wie der Geltendmachung von Unterhalts- oder Zugewinnausgleichsansprüchen nicht selten die Kosten des Verfahrens zu tragen haben, vgl. dazu beispielhaft § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Auch aus diesem Aspekt heraus sollte sich die Wertberechnung durchaus auch an der Vorstellung des Antragstellers zur Anspruchshöhe orientieren. Ansonsten kann ein Auskunftspflichtiger ohne großes Kostenrisiko zunächst die Auskunft verweigern bzw. nur unzureichend erteilen.
Rz. 228
Unerheblich für die Wertberechnung beim Stufenantrag ist, aus welchem Grund eine Bezifferung des Leistungsantrags nicht mehr erfolgt ist. Eine Entscheidung über den Leistungsantrag ist z.B. dann nicht mehr erforderlich, wenn ein Antrag zurückgenommen wird, sich die Hauptsache vor Bezifferung erledigt, oder das Gericht den Antrag insgesamt abweist, weil bereits feststeht, dass ein Leistungsanspruch nicht in Betracht kommt und daher auch kein Auskunftsanspruch besteht.
Rz. 229
Es wird empfohlen, bereits mit dem Antrag den Betrag anzugeben, den sich der Mandant/die Mandantin mindestens vorstellt. Ein späteres "Nachbessern", wenn der Wert erst einmal niedrig festgesetzt ist, ist immer schwierig, vor allem, wenn VKH bewilligt worden ist.
Rz. 230
Praxistipp
Gerade in Verfahren, in denen Verfahrenskostenhilfe beantragt wird, ist in der Praxis zu beobachten, dass häufig bei Stufenanträgen keinerlei Wertangabe erfolgt, da keine Gerichtskosten im Voraus zu zahlen sind. Die Nachlässigkeit bei dem Versuch, den Wert zu ermitteln, kann sich im Nachhinein als sehr negativ herausstellen. Wird kein vorläufiger Wert angegeben, öffnet dies dem Gericht die Möglichkeiten, bei sog. "stecken gebliebenen" Stufenanträgen den Wert sehr niedrig festzusetzen, wenn sich nach Auskunftserteilung ergibt, dass kein Leistungsanspruch besteht, da die Rechtsprechung hier teilweise noch uneinheitlich ist. Der Trend geht jedoch zum Ansatz des Wertes entsprechend der objektiven Erwartungshaltung des Mandanten, siehe nachfolgend.
Rz. 231
Auch in der aktuellen Rechtsprechung wird die Ansicht, dass der Leistungsantrag maßgeblich ist, auch wenn er unbeziffert bleibt, vertreten.
Zitat
"Gem. § 38 FamGKG ist für die Wertberechnung eines Stufenantrags der höhere der verbundenen Ansprüche auch dann maßgebend, wenn der Stufenantrag "steckenbleibt"."
Rz. 232
Das OLG Karlsruhe hatte auch keine Bedenken, auf die von der Antragstellerin mit Antrag mitgeteilte vorgestellte Größenordnung bei der Wertfestsetzung abzustellen. Diese Erwartung muss jedoch nach außen getreten sein, geäußerte Vorstellungen im Rahmen der Beratung bleiben ggf. unberücksichtigt.
Rz. 233
Die Auffassung des OLG Karlsruhe wird von einigen weiteren OLGs geteilt, so unter anderem vom OLG Bremen, das den vom Gericht für den steckengebliebenen Stufenantrag zunächst auf 1.000 EUR festgesetzten Wert auf 31.213 EUR abänderte.