1. Gesetzgebungsverfahren
Rz. 627
Seit dem 1.9.2009 gilt: Im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist der Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen, § 41 S. 1 FamGKG. Dabei ist nach § 41 S. 2 FamGKG von der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Werts auszugehen.
Rz. 628
Zur Abrechnung (Vergütung) der einstweiligen Anordnungsverfahren vgl. auch § 5 Rdn 723 ff. in diesem Werk.
Rz. 629
Hinweis
Einstweilige Anordnungen bedürfen seit dem 1.9.2009 keiner parallel anhängigen Hauptsache (isoliert oder im Verbund) bzw. einem parallel anhängigem VKH-Verfahren mehr (vgl. dazu § 49 FamFG). Einstweilige Anordnungen sollten durch diese neue Strukturierung gestärkt werden. Aus diesem Grund war auch eine kostenrechtliche Änderung erforderlich. Für einstweilige Anordnungen fallen daher seit 1.9.2009 Gerichtsgebühren an, die gerichtskostenrechtlich in Hauptabschnitt 4 KV FamGKG geregelt sind.
Rz. 630
§ 41 FamGKG, der regelt, dass "von der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Werts auszugehen" ist, gilt sowohl für Verfahren auf Erlass als auch das Verfahren auf Aufhebung oder Abänderung der Entscheidung. Der Wortlaut "auszugehen" spricht bereits dafür, dass die Hälfte des Hauptsachewerts der Mindestwert ist und das Gericht auch darüber hinaus den Wert höher festsetzen kann.
Der Gesetzgeber führt hierzu aus:
Zitat
"Diese flexible Regelung ermöglicht eine dem Einzelfall gerecht werdende Bestimmung des Wertes. Gleichzeitig bietet sie für den Regelfall aber auch eine einfache Festlegung des Wertes an, da von der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Werts auszugehen ist."
Rz. 631
Der Bundesrat hatte im Übrigen vorgeschlagen, den Wert auf 1/3 zu beschränken, da ihm die Hälfte des Wertes als zu hoch erschien. In seiner Stellungnahme hat der Bundesrat auf ähnliche Anteile (1/3) zur Rechtsprechung in übrigen vorläufigen Rechtsschutzverfahren verwiesen. Der Anwaltschaft würde nach Ansicht des Bundesrats auch kein "Vermögens-Opfer" zugemutet, da sich deren Gebühren nur geringfügig verringern würden. Weiter könnte das Gericht – abweichend von 1/3 des Hauptsachewerts – nach oben oder unten mit der Wertfestsetzung abweichen.
Rz. 632
Die Bundesregierung hat den Gegenvorschlag des Bundesrats abgelehnt; die Auffassung, es hätte sich in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes überwiegend ein Maßstab von 1/3 des Wertes der Hauptsache herausgebildet, wurde nicht geteilt. Auch im Streitwertkatalog für die verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten ist für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hälfte des Hauptsachewertes anzunehmen. Dabei kann in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Hauptsache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, der Wert sogar bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Werts angehoben werden. Zudem würde schon nach bisher geltendem Recht teilweise die Hälfte des Hauptsachewertes angenommen. Im Hinblick auf die Tatsache, dass ein Hauptsacheverfahren nicht mehr zwingend einzuleiten ist, sah die Bundesregierung eine Herabsetzung auf 1/3 des Hauptsachewerts als nicht sachgerecht an. Denn durch das wegfallende Hauptsacheverfahren würden sich die Anwaltsgebühren zum Teil bereits erheblich verringern.
Rz. 633
Der Ausgangswert wird in den meisten Fällen als Regelwert angesehen und nur in Ausnahmefällen eine Abweichung hiervon rechtfertigen. In Verfahren der einstweiligen Anordnung ist der Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen, wobei im Rahmen des richterlichen Ermessens auch eine Ermäßigung unterhalb der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Wertes möglich ist. Rechtsprechung zur Anhebung oder Senkung des Werts finden Sie unter Rdn 638 ff.
Rz. 634
Einstweiliges Anordnungsverfahren und Hauptsacheverfahren können gesondert abgerechnet werden. Sie stellen verschiedene Angelegenheiten dar, § 17 Nr. 4b RVG.
Beispiel
Die Ehegatten leben seit 1 Monat getrennt. Es wird eine einstweilige Anordnung wegen Übertragung der elterlichen Sorge allein auf die Kindesmutter beantragt. Gleichzeitig wird ein Hauptsacheverfahren über den Gegenstand elterliche Sorge anhängig. Nach dem Termin sowohl in der Hauptsache als auch im einstweiligen Anordnungsverfahren, entscheidet das Gericht durch Beschluss.
Hauptsacheverfahren mit einstweiliger Anordnung
1. Hauptsacheverfahren
Gegenstandswert: 4.000,00 EUR, §§ 23 Abs. 1 S. 2 RVG, § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG |
361,40 EUR |
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG |
333,60 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
715,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
135,85 EUR |
Summe |
850,85 EUR |
2. Einstweilige Anordnung
Gegenstandswert: 2.000,00 EUR, §§ 23 Abs. 1 S. 2 RVG, §§ 41 S. 2 i.V.m. 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG |
215,80 EUR |
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG |
199,20 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
435,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr.... |