1. Anspruchsvoraussetzungen
a) Auf Dauer angelegter gemeinsamer Haushalt
Rz. 39
(Zu diesem Tatbestandsmerkmal siehe oben Rn 35).
b) Tat nach § 1 Abs. 1 GewSchG
Rz. 40
Im Fall einer Tatbegehung nach § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG ist der Überlassungsanspruch an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Der Anspruch auf Überlassung der Wohnung zur alleinigen Benutzung durch die verletzte Person ist ohne weitere Darlegung begründet. Die Gewalttat muss nicht in der Wohnung stattgefunden haben. Schützenswerte Belange des Täters finden über den Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 3 Nr. 3 GewSchG Berücksichtigung.
2. Ausschluss des Anspruchs nach § 2 Abs. 3 GewSchG
a) Keine Wiederholungsgefahr, § 2 Abs. 3 Nr. 1 GewSchG
Rz. 41
Der präventive Charakter der Vorschrift verbietet es, den Anspruch zu gewähren, wenn keine weiteren Gewalttaten zu erwarten sind. Diesbezüglich obliegt dem Täter die Darlegungs- und Beweislast. Der Anspruch ist nicht ausgeschlossen, sondern bleibt bestehen, wenn dem Opfer das weitere Zusammenleben mit dem Täter wegen der Schwere der Tat nicht zugemutet werden kann.
b) Fristablauf, § 2 Abs. 3 Nr. 2 GewSchG
Rz. 42
Der Anspruch ist auch ausgeschlossen, wenn die verletzte Person nicht innerhalb von drei Monaten nach der Tat die Überlassung der Wohnung schriftlich (vergleiche demgegenüber § 1361b Abs. 4 BGB) vom Täter verlangt.
c) Besonders schwerwiegende Täterinteressen, § 2 Abs. 3 Nr. 3 GewSchG
Rz. 43
Der Überlassungsanspruch ist ferner ausgeschlossen, wenn der Überlassung der Wohnung an das Opfer besonders schwerwiegende Belange des Täters entgegenstehen. Solche können wegen einer Behinderung oder schweren Erkrankung des Täters gegeben sein.
3. Rechtsfolge
a) Überlassungsanspruch
Rz. 44
Der Anspruch auf Überlassung der Wohnung gem. § 2 Abs. 1 GewSchG ist ebenso wie die Überlassungsansprüche gem. §§ 1361b Abs. 1 S. 1, 1568a Abs. 1, Abs. 2 BGB kein Besitzverschaffungsanspruch. "Überlassung" im Sinne der Vorschriften bedeutet die Abgabe gerade des Besitzes, den der Anspruchsgegner hat. Die Überlassungsverpflichtung hängt von der Fortdauer des Besitzes des Anspruchsgegners ab, sie ist nicht auf Besitzverschaffung gerichtet. Es besteht auch keine Verpflichtung die Wohnung in einem besonderen Zustand an das anspruchsberechtigte Opfer herauszugeben (vgl. oben § 2 Rn 75).
b) Überlassungsdauer
Rz. 45
Steht der verletzten Person gemeinsam mit dem Täter eine dingliche Berechtigung an der Wohnung zu oder haben beide die Wohnung gemietet, ist die Dauer der Wohnungsüberlassung nach § 2 Abs. 2 S. 1 GewSchG zu befristen. Eine Höchstfrist ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die Frist ist nach den Umständen des Einzelfalls so zu bemessen, dass während ihrer Dauer eine endgültige Regelung ergehen kann. Das richtet sich auch nach den Verhältnissen auf dem örtlichen Wohnungsmarkt.
Ist der Täter hingegen dinglich berechtigt oder Alleinmieter oder besteht eine gemeinsame dingliche Berechtigung des Täters mit einem Dritten oder hat der Täter die Wohnung gemeinsam mit einem Dritten gemietet, so hat das Gericht gem. § 2 Abs. 2 S. 2 GewSchG die Wohnungsüberlassung an die verletzte Person auf die Dauer von höchstens sechs Monaten zu befristen. Konnte allerdings das Opfer keine andere angemessene Wohnung zu zumutbaren Bedingungen finden, kann das Familiengericht nach seinem Ermessen in besonderen Ausnahmefällen eine Fristverlängerung auf weitere sechs Monate, insgesamt auf höchstens ein Jahr, gewähren, sofern die Belange des Täters oder eines berechtigten Dritten nicht überwiegen, § 2 Abs. 2 S. 3 GewSchG.
Ist das Opfer allein oder mit einem Dritten an der Wohnung berechtigt, ist die Überlassung nicht zu befristen.