Dr. iur. Thomas Eder, Andreas Hilmer
Rz. 350
Das Liquidationswertverfahren als Einzelbewertungsverfahren ist systematisch eigentlich nicht zwischen dem Ertragswertverfahren als Gesamtbewertungsverfahren und dem Discounted-Cash-Flow-Verfahren (DCF-Verfahren) einzuordnen, allerdings bildet der Liquidationswert des Unternehmens grundsätzlich die Wertuntergrenze für den Unternehmenswert nach der Ertragswertmethode, wenn nicht aufgrund des Vorliegens eines rechtlichen oder tatsächlichen Zwanges zur Unternehmensfortführung gleichwohl auf den Fortführungswert des Unternehmens abzustellen ist. Es ist nämlich aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoller, ein unrentables Unternehmen zu liquidieren als es fortzuführen.
Rz. 351
Der Liquidationswert entspricht dem Barwert der Nettoerlöse, die sich aus der Veräußerung der Vermögensgegenstände abzüglich Verbindlichkeiten, Rückstellungen und Liquidationskosten ergeben. Zukünftig entstehende Ertragsteuern sind gegebenenfalls zu berücksichtigen.
Rz. 352
Der Liquidationswert geht also davon aus, dass das gesamte Unternehmen oder Unternehmensteile nicht mehr fortgeführt, sondern verkauft werden und zwar zum Zeitpunkt der Bewertung. Die Vermögensgegenstände und Schulden sind bei der Bewertung nach der Liquidationswertmethode grundsätzlich mit dem Marktwert anzusetzen, wobei der Marktwert der Schulden in der Regel der Buchwert bedeutet.
Rz. 353
Daraus ergibt sich die folgende Formel für die Berechnung des Liquidationswertes:
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Gesamterlös aus dem Verkauf aller Vermögensgegenstände |
./. |
Verbindlichkeiten |
./. |
verpflichtende Rückstellungen (für Rückbau, Pensionen, u.Ä.) |
./. |
Kosten der Liquidation (Sozialplan, Transaktionskosten etc.) |
= |
Liquidationswert |
Rz. 354
Vorteile der Liquidationswertmethode
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Verfahren zur Ermittlung der Wertuntergrenze eines Unternehmens; |
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Nachvollziehbarkeit der Bewertung auch für Nichtfachleute; |
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Klare Strukturen bei der Bewertung; |
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Einfach zu verstehen; |
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Exakt bestimmbar; |
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Daten sind in der Bilanz bereits enthalten. |
Rz. 355
Nachteile der Liquidationswertmethode
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Vergangenheitsorientiert; |
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Keine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und der unternehmerischen Potenziale; |
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Problematisch bei großen Unternehmenseinheiten, da jeder Vermögenswert einzeln bewertet werden muss; |
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Zur Preisbestimmung irrelevant; |
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Unfair/Ungenau, weil immaterielle Vermögensgegenstände nicht/kaum erfasst werden können. |
Rz. 356
In der familienrechtlichen Praxis ist der niedrige Liquidationswert nur dann maßgebend, wenn der Vermögensgegenstand als Folge des Zugewinnausgleichs, nämlich zur Mobilisierung des Vermögens, versilbert werden muss und eine Veräußerung auch nicht durch Stundung nach § 1382 BGB abgewendet werden kann.
Rz. 357
Nach früherer Rechtsprechung war der Liquidationswert stets als Untergrenze des Unternehmenswertes anzusehen. Nunmehr wird differenziert und darauf abgestellt, ob die Absicht besteht, das Unternehmen fortzuführen und dies nicht unvertretbar erscheint. Soll ein Unternehmen liquidiert werden, ist stets der Liquidationswert anzusetzen. So hat der BGH bereits in seiner Entscheidung vom 17.1.1973 deutlich gemacht, dass es keinen Automatismus gebe, wonach stets der Liquidationswert anzusetzen sei, wenn dieser über dem Ertragswert liegt.
Rz. 358
Der Liquidationswert eines unrentablen Unternehmens bildet nicht die untere Grenze, wenn das Unternehmen nicht liquidiert, sondern fortgeführt werden soll. Besteht ein rechtlicher oder tatsächlicher Zwang zur Unternehmensfortführung, kommt eine Unternehmensbewertung auf der Grundlage des Liquidationswertes nicht in Betracht.
Rz. 359
Es ist grundsätzlich auf den unternehmerischen Willen abzustellen, ob der Inhaber sein Unternehmen fortführen will, wobei es allerdings einem unternehmerischen Handeln widerspricht, wenn ein Unternehmen fortgeführt wird, dessen Erfolgsaussichten dauerhaft negativ sind. Dann muss nämlich trotz eines Fortführungswillen des Unternehmensinhabers der Liquidationswert maßgeblich sein, weil der Unternehmer ansonsten Abfindungsansprüche Dritter dadurch mindern könnte, indem er sich bewusst oder unbewusst unwirtschaftlich verhält.
Rz. 360
Nur ein rechtlicher oder tatsächlicher Zwang zur Unternehmensfortführung kann demnach dazu führen, dass bei der Bewertung eines unrentablen Unternehmens nicht der Liquidationswert anzusetzen ist.
Rz. 361
Bei einer auch nur fiktiven Bewertung nach der Liquidationswertmethode sind sämtliche mit der Betriebsauflösung verbundenen Kosten, insbesondere der Anfall von Ertragsteuern wertmindernd zu berücksichtigen, selbst wenn der Inhaber keinen Verkauf berücksichtigt (latente Steuerlast).