Rz. 709

Verwandelt sich der Hauptanspruch auf Übertragung eines Grundstückmiteigentumsanteils durch Veräußerung des Grundstücks in einen Zahlungsanspruch, so verwandelt sich das Gegenrecht von einem Zurückbehaltungsrecht in eine Aufrechnungsmöglichkeit und die rechtserhaltende Funktion des § 215 BGB setzt sich daran fort.[972] Dies bedeutet, dass Verjährung nicht eintritt, wenn zunächst innerhalb der Verjährungsfrist das Zurückbehaltungsrecht bestand und sich erst später durch Veräußerung des Grundstückteils der ursprüngliche Übertragungsanspruch in einen Zahlungsanspruch (Gleichartigkeit der Forderungen) verwandelt hat.

 

Rz. 710

Der Einwand des Zugewinnausgleichspflichtigen, er rechne mit Ansprüchen auf Nutzungsentschädigung betreffend die frühere Ehewohnung der Beteiligten auf, da der Ausgleichsberechtigte diese Wohnung seit der Trennung kostenfrei weiternutzt, ist unbegründet. Bis zum Eintritt der Rechtskraft der Scheidung wurde das mietfreie Wohnen im Rahmen des Trennungsunterhalts berücksichtigt, so dass eine weitergehende Geltendmachung von Nutzungsentschädigung für diesen Zeitraum wegen des Grundsatzes des "Verbots der Doppelverwertung" ausscheidet. Für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung kann ein solcher Anspruch zwar grundsätzlich bestehen. Hierbei handelt es sich aber um eine gemeinschaftliche Forderung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinne des § 432 BGB als Eigentümerin des Hausgrundstücks und nicht um eine solche, die zum Privatvermögen des Zugewinnausgleichspflichtigen gehört. Es fehlt daher an der Gegenseitigkeit der Forderungen.[973]

 

Rz. 711

Der Einwand des Zugewinnausgleichspflichtigen, er rechne mit Unterhaltsansprüchen der minderjährigen Kinder auf, die er als gesetzlicher Prozessstandschafter geltend mache, ist unbegründet. Für eine wirksame Aufrechnung fehlt es bereits an der Gegenseitigkeit der Forderungen, da die Unterhaltsansprüche materiell weiterhin den Kindern zustehen. Auch mit Einwilligung des Dritten kann der Ausgleichspflichtige nicht aufrechnen. Darüber hinaus ist die zur Aufrechnung gestellte Forderung nicht hinreichend bestimmt. Es fehlen Angaben dazu, mit welcher Unterhaltsforderung (Kind 1 oder 2) und für welchen Zeitraum die Aufrechnung erklärt werden soll.[974]

 

Rz. 712

Der Zugewinnausgleichsberechtigte kann mit dieser Forderung gegen Ansprüche des Ausgleichsschuldners auf Auszahlung des restlichen Anteils an dem Veräußerungserlös einer früher gemeinsamen Immobilie aufrechnen. Die Zugewinnausgleichsforderung muss entstanden, aber noch nicht gerichtlich geltend gemacht sein; sie muss im Rahmen der erklärten Aufrechnung hinreichend substantiiert sein. Die Aufrechnung steht unter dem Gebot von Treu und Glauben. Eine Aufrechnung verbietet sich, wenn nach dem besonderen Inhalt des zwischen den Beteiligten begründeten Schuldverhältnisses der Ausschluss als stillschweigend vereinbart anzusehen ist oder wenn die Natur der Rechtsbeziehung oder der Zweck der geschuldeten Leistung eine Erfüllung im Wege der Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen lassen. Bei der Abwicklung vermögensrechtlicher Ansprüche zwischen den früheren Ehegatten ist die Aufrechnung mit einem Zugewinnausgleichsanspruch aber nicht schon grundsätzlich ausgeschlossen. Es ist zunächst zu prüfen, ob die Aufrechnung aus den besonderen Gründen des Einzelfalles unter Abwägung der Interessen des Zugewinnausgleichsschuldners an der Verwirklichung seiner Ansprüche einerseits gegenüber dem Sicherungsbedürfnis des Zugewinnausgleichsgläubigers andererseits gegen Treu und Glauben verstößt.[975]

[972] OLG Bremen JurionRS 2014, 15327
[973] OLG Brandenburg JurionRS 2006, 28868 Rn 86 – 89.
[974] OLG Naumburg FamRZ 2001, 1236.
[975] BGH NJW 2002, 1130 – 1132; FamRZ 2002, 318 – 320; FamRB 2002, 129.

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