Dr. iur. Thomas Eder, Andreas Hilmer
Rz. 392
Beim Multiplikatorverfahren wird der Unternehmenswert des zu bewertenden Unternehmens (Bewertungsobjekt) entweder aus dem Marktpreis vergleichbarer, börsennotierter Unternehmen, der so genannten Peer–Group, abgeleitet oder auf Basis von Preisen ermittelt, die im Rahmen von Transaktionen mit vergleichbaren Unternehmen gezahlt wurden.
Rz. 393
Der Unternehmenswert des Bewertungsobjekts ergibt sich dabei als Produkt eines aus den Vergleichsunternehmen abgeleiteten Multiplikators und der Kennzahl des Bewertungsobjekts und bestimmt sich nach folgender Formel:
Unternehmenswert = Multiplikator der Vergleichsunternehmen x Kennzahl des Bewertungsobjekts
Rz. 394
Bei Anwendung von Ergebnismultiplikatoren ergibt sich der Preis für das Unternehmen als Produkt eines repräsentativ angesehenen Ergebnisses vor Steuern mit einem branchen- bzw. unternehmensspezifischen Faktor. Dieser Faktor ist insbesondere Ausdruck der aktuellen Kapitalkosten, der Risikoneigung potenzieller Erwerber sowie des Verhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Markt für Unternehmenstransaktionen.
Rz. 395
Daneben werden umsatz- und produktmengenorientierte Multiplikatoren in der Praxis insbesondere zur Ermittlung der Marktpreise für kleinere Dienstleistungsunternehmen angewandt.
Rz. 396
Das IDW hält vereinfachte Preisfindungen wie Multiplikatorverfahren nur dafür geeignet, um Anhaltspunkte für die Plausibilitätskontrolle der Ergebnisse der Bewertung nach Ertragswert- oder DCF–Verfahren zu liefern. Der BGH hat vereinfachte Preisfindungen für familienrechtliche Verfahren aufgrund ihrer Akzeptanz in der Praxis gebilligt.
Rz. 397
Vorteile des Multiplikatorverfahrens
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Ermöglicht relative Vergleichsbasis zum Markt und schafft damit die Möglichkeit zur Plausibilisierung von nach anderen Verfahren ermittelten Unternehmenswerten mit am Markt gezahlten Preisen; |
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Leicht verständliche Berechnung durch erhebliche Komplexitätsreduktion, daher in der Praxis häufig verwendetes Bewertungsverfahren; |
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Multiplikatorverfahren liefert relativ einfach und schnell sowie mit wenig Input eine erste Wertindikation; |
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Öffentlicher Zugang zu einer Fülle branchenüblicher Multiplikatoren und Erfahrungswerten. |
Rz. 398
Nachteile des Multiplikatorverfahrens
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Hoher Vereinfachungsgrad, unternehmensspezifische Besonderheiten bleiben unberücksichtigt; |
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Erheblicher Gestaltungsspielraum (Wahl des Multiplikator und deren Gewichtung, der Vergleichsunternehmen, Auswahl der Ausschätzungen etc.); |
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Multiplikatoren sind statisch, die künftige Unternehmensentwicklung wird nicht hinreichend berücksichtigt; |
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Erforderliche Investitionen, Cashflows und Kapitalkosten bleiben unberücksichtigt; |
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Probleme in der Vergleichbarkeit bei Verwendung von Börsenmultiplikatoren bezüglich Vergleich von börsennotierten mit nicht börsennotierten Unternehmen und mit internationalen Unternehmen; |
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Bei Transaktionsmultiplikatoren schwierige Informationsbeschaffung, da in der Regel wenige Vergleichstransaktionen; |
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Komplexes Bewertungsverfahren bei Berücksichtigung verbundener Problemfelder wie z.B. unterschiedlicher Rechnungslegung der Peer–Group–Unternehmen; |
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Am Kapitalmarkt gegebenenfalls vorhandene Fehleinschätzungen setzen sich als Bewertungsfehler weiter fort. |