Rz. 558

Gemäß § 1375 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind unentgeltliche Zuwendungen, die nicht einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen, dem Endvermögen hinzuzurechnen. Unter unentgeltliche Zuwendungen fallen vor allem (auch gemischte) Schenkungen, Ausstattungen, Vermögensübertragungen unter Vorwegnahme der Erbfolge, Spenden sowie Stiftungen.[811] Unentgeltlich ist demnach eine Zuwendung, wenn der durch sie begründeten Vermögensminderung keine Gegenleistung gegenübersteht.[812] Die Erfüllung einer verjährten Forderung ist nicht unentgeltlich.[813] Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, wonach beim Ausscheiden eines Gesellschafters eine Abfindung nur zum Teil oder überhaupt nicht geleistet werden soll, können nur dann eine unentgeltliche Zuwendung zugunsten der Mitgesellschafter sein, wenn lediglich einzelne Gesellschafter sich ihr ohne rechtfertigenden Grund unterworfen haben.[814]

 

Rz. 559

Unentgeltliche Zuwendungen, die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen, bleiben gemäß § 1375 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB außer Betracht. Zwar gehört es zur Freiheit eines Ehegatten, in angemessenem Rahmen unentgeltliche Zuwendungen an Dritte sowie an Familienangehörige und auch an die nichteheliche Lebensgefährtin zu machen, allerdings sind dabei die Vermögens- und Lebenssituation der Beteiligten sowie ihre persönlichen Beziehungen im Rahmen einer Interessenabwägung zu berücksichtigen.[815] Eine Pflicht- und Anstandsschenkung liegt bei Ausstattungen der Kinder, Unterstützung bedürftiger Verwandter, Spenden an karikative Einrichtungen, Errichtung gemeinnütziger Stiftungen sowie Weihnachts- und Geburtstagsgeschenken vor, sofern die Zuwendung nach den konkreten Umständen des Einzelfalles noch angemessen ist.[816] Eine sittliche Pflicht zur Übertragung eines Vermögensgegenstandes an einen Abkömmling, um das Familienvermögen zu erhalten, besteht dagegen nicht.[817]

[811] Palandt/Brudermüller, § 1375 Rn 25.
[812] BGH v. 9.4.1986 – IVb ZR 14/86, FamRZ 1986, 565.
[813] MüKo-BGB/Koch, § 1375 Rn 23.
[814] Palandt/Brudermüller, § 1375 Rn 25; MüKo-BGB/Koch, § 1375 Rn 24.
[815] OLG München v. 31.1.1985 – 26 UF 1403/84, FamRZ 1985, 814; BGH v. 21.6.1963 – V ZB 3/63, FamRZ 1963, 292.
[816] Staudinger/Thiele, § 1375 Rn 22; Haußleiter/Schulz, Kap. 1 Rn 91.
[817] MüKo-BGB/Koch, § 1375, Rn 25; OLG München v. 31.1.1985 – 26 UF 1403/84, FamRZ 1985, 814.

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