Dr. iur. Thomas Eder, Andreas Hilmer
aa) Anrechnung von Vorausempfängen, § 1380 BGB
(1) Allgemeines
Rz. 610
Bei der Anrechnung von Vorausempfängen nach § 1380 BGB handelt sich um eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung. Der Ausgleichspflichtige muss den zugrundeliegenden Sachverhalt substantiiert vortragen.
Rz. 611
§ 1380 Abs. 1 S. 1 bestimmt, dass auf die Ausgleichsforderung eines Ehegatten angerechnet wird, was ihm von dem anderen Ehegatten durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet ist, dass es auf die Ausgleichsforderung angerechnet werden soll.
Rz. 612
§ 1380 Abs. S. 2 BGB beinhaltet eine Vermutungsregel ("im Zweifel") dafür, dass solche Zuwendungen angerechnet werden sollen, wenn nichts anderes geregelt ist und der Wert der Zuwendung den Wert von Gelegenheitsgeschenken, die nach den ehelichen Lebensverhältnissen üblich sind, übersteigt.
Rz. 613
Grundsätzlich soll diese Bestimmung dafür sorgen, dass Zuwendungen unter den Beteiligten, die vor dem Stichtag des Endvermögens erfolgt sind, in die Berechnung des Zugewinnausgleichs mit einbezogen werden. Damit beinhaltet diese Norm eine Ausnahme vom Stichtagsprinzip im Zugewinnausgleich. Sie ist Ausfluss des allgemeinen Gerechtigkeitsgedankens.
(2) Anwendungsbereich
Rz. 614
§ 1380 BGB kommt nur dann zur Anwendung, wenn eine Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfängers besteht, auf die ein Vorausempfang angerechnet werden kann. Der Vorausempfang muss vom Ausgleichspflichtigen geleistet worden sein; Zuwendungen Dritter bleiben außer Betracht. Zuwendungen des Ausgleichsberechtigten bleiben ebenfalls außer Betracht.
(3) Voraussetzungen nach § 1380 BGB
Rz. 615
Der Begriff der Zuwendung im Sinne von § 1380 Abs. 1 S. 1 BGB besagt, dass kein Anspruch auf das Zugewendete bestanden hat. Er umfasst damit nur freiwillige Leistungen ohne Gegenleistung, also sowohl Schenkungen nach § 516 BGB als auch unbenannte Zuwendungen. Ob diese Zuwendungen den Wert von Gelegenheitsgeschenken übersteigen, die nach den Lebensverhältnissen der Parteien üblich waren, ist im Einzelfall konkret anhand der Einkommens- und Vermögensverhältnisse und des Lebensstils der Beteiligten zu prüfen. Bei gemischten Schenkungen ist der geschenkte Teil als Vorausempfang anrechenbar.
Rz. 616
Es muss sich um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden handeln; Verfügungen von Todes wegen bleiben dabei also unberücksichtigt.
Rz. 617
Die Anrechnungsbestimmung muss vor oder bei der Zuwendung getroffen werden; eine nachträgliche Bestimmung ist unwirksam. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes. Es handelt sich bei der Anrechnungsbestimmung um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die keiner Form unterliegt. In der Praxis ist der Nachweis häufig nur schwer zu erbringen, da mündliche Anrechnungsbestimmungen, wenn dazu überhaupt etwas gesagt wurde, überwiegen. Meist machen sich die Beteiligten bei solchen Zuwendungen darüber aber keine Gedanken. Dann kommt eine Anrechnung zunächst nicht in Betracht. Der Anwalt sollte dies im Mandantengespräch möglichst genau aufklären; er sollte sich aber davor hüten, den Sachverhalt im Sinne des Mandanten zu "verbiegen". Konkludente Bestimmungen unterliegen den gleichen Beweisschwierigkeiten; die Umstände sollten deshalb so detailliert wie möglich vorgetragen werden. Der Zuwendende muss sich bei konkludenter Bestimmung bis zur Zuwendung so verhalten haben, dass der Zuwendungsempfänger dies spätestens bei der Zuwendung als Bestimmung deuten musste.
Unabhängig davon hilft aber die Vermutungsregel in der Praxis weiter.
(4) Berücksichtigung der Kaufkraft (Indexierung)
Rz. 618
Die Frage, ob der Wert der Zuwendung wie bei § 1374 Abs. 2 BGB wegen der Veränderung der Kaufkraft mit dem Lebenshaltungskostenindex auf den Endstichtag hochzurechnen ist, ist – soweit ersichtlich – höchstrichterlich noch nicht entschieden. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung hat eine Indexierung zu erfolgen. Soweit dies bei der Berechnung eine Auswirkung hat, kann deshalb aus anwaltlicher Pflicht jede Meinung hierzu mit guten Gründen vertreten werden.
Der Ausgleichspflichtige sollte also auf die Indexierung bestehen. Eine Wertsteigerung durch Indexierung wirkt sich sehr wohl zu seinen Gunsten im Ergebnis aus.
Der Ausgleichsberechtigte kann einwenden, dass eine Indexierung nicht vorzunehmen ist, weil es sich um eine fiktive Berechnung handelt, bei der die Zuwendung nicht mehr oder zumindest nicht mehr vollständig wertmäßig im Endvermögen des Ausgleichsberechtigten vorhanden ist.