Rz. 652

§ 1381 BGB ist gegeben, wenn bei über 50jähriger Ehedauer die Ausgleichspflichtige in den letzten Jahrzehnten erheblichen Gewalttätigkeiten und Misshandlungen durch den Ausgleichsberechtigten ausgesetzt war, insbesondere, wenn sie sich schützend vor die Kinder stellte (Kürzung um 42 %).[923]

 

Rz. 653

§ 1381 BGB ist gegeben, wenn bei 9-jähriger Ehedauer der Ehemann während der bis zur Inhaftierung glücklich geführten Ehe vier Vergewaltigungen in Tateinheit mit Körperverletzung sowie eine weitere Vergewaltigung und eine versuchte Vergewaltigung jeweils gegenüber Zufallsopfern begangen hat. Dieses Verhalten trifft den Kernbereich der ehelichen Beziehung, steht sittlich auf tiefster Stufe und schädigt das Ansehen der Ehefrau. Die zwischen den Taten geborene Tochter lässt das Verhalten des Ehemannes noch schwerer wiegen; hinzu kommt die Gesundheitsgefährdung der Ehefrau wegen des ungeschützten Geschlechtsverkehrs. Die finanziellen Auswirkungen waren erheblich: Während fast eines Drittels der Ehezeit konnten vom Ehemann wegen der Haft keine nennenswerten Beiträge zum Familienunterhalt erbracht werden. Dieses schwerwiegende, schuldhafte Fehlverhalten führt dazu, dass ein Anspruch auf Zugewinnausgleich nicht mehr in Betracht kommt. Ein Auskunftsanspruch zum Zugewinnausgleich ist als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen.[924]

 

Rz. 654

§ 1381 BGB ist nicht gegeben, wenn der Ausgleichsschuldner nur pauschal auf die Untreue und die Aufnahme des "neuen Liebhabers" in die Ehewohnung hingewiesen hat und behauptet, die berufliche Vernichtung sei beabsichtigt gewesen, das entsprechende Schreiben aber nicht an den Arbeitgeber, sondern an den anderen Ehegatten (allerdings unter der Firmenanschrift) adressiert war und gegen ihn ein Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person angestrengt wurde, das in zweiter Instanz mit einem Freispruch endete, weil seine Einlassung nicht mit der erforderlichen Sicherheit widerlegt werden konnte.[925]

 

Rz. 655

§ 1381 BGB ist nicht gegeben, wenn der Ausgleichspflichtige eine Urkundenfälschung des Ausgleichsberechtigten (Bestätigungserklärung des Ausgleichspflichtigen, an die Ausgleichsberechtigte die Hälfte des Erlöses aus dem Verkauf der Immobilie des Ausgleichspflichtigen zu zahlen) zu seinen Lasten behauptet, den Vollbeweis der Unterschriftenfälschung aber nicht führen kann.[926] Umgekehrt kann also, wenn der Beweis gelingt, § 1381 BGB gegeben sein.

 

Rz. 656

§ 1381 BGB ist gegeben, wenn die Ausgleichsberechtigte bei Eheschließung 1946 und Trennung 1979 von 1976 bis zur Trennung mindestens zu vier verschiedenen Männern ehebrecherische Beziehungen unterhalten hat; bei der Rechtsfolge ist zu berücksichtigen, dass die Ausgleichsberechtigte während der Ehe vier gemeinsame Kinder großgezogen hat, so dass eine Kürzung um ein Drittel angemessen ist.[927]

 

Rz. 657

§ 1381 BGB kann gegeben sein, wenn der Ausgleichspflichtige im Verfahrenskostenhilfe-Verfahren des Ausgleichsberechtigten zahlreiche Verfehlungen, Vorfälle und Umstände, die den Einwand nach § 1381 BGB rechtfertigen sollen, konkret darlegt, die – ihr Vorliegen unterstellt – den Ausgleichsanspruchs wegen grober Unbilligkeit ausschließen würden. Allerdings kann deshalb noch nicht die Verfahrenskostenhilfe für die Klage auf Zugewinnausgleich versagt werden (unzulässige Beweisantizipation).[928]

[923] OLG Bamberg JurionRS 1996, 23141.
[924] OLG Hamburg FamRZ 2012, 550; FamRB 2012, 70.
[925] OLG Brandenburg JurionRS 2006, 29920.
[926] OLG Brandenburg JurionRS 2013, 36681.
[927] OLG Hamm JurionRS 1989, 20336 Rn 55.
[928] OLG Brandenburg JurionRS 2010, 19597.

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