Dr. iur. Thomas Eder, Andreas Hilmer
Rz. 1383
In einem zweiten Schritt sind die Gesamtgutsverbindlichkeiten zu berichtigen im Sinne des § 1475 Abs. 1 S. 1 BGB. Bis zur Berichtigung der Gesamtgutsverbindlichkeiten kann jeder Ehegatte die zur Teilung des Gesamtguts erforderlichen Willenserklärungen verweigern.
Rz. 1384
Durch die in den §§ 1475 ff. BGB geregelte Reihenfolge soll verhindert werden, dass einer der Ehegatten einem Gesamtgutsgläubiger nach Maßgabe der §§ 1480, 1481 BGB persönlich haften muss, wenn das Gesamtgut ohne Rücksicht auf bestehende Gesamtgutsverbindlichkeiten verteilt worden ist.
(1) Allgemeines
Rz. 1385
Gesamtgutsverbindlichkeiten sind alle in §§ 1437 ff. und 1459 f. BGB geregelten Verbindlichkeiten. Darunter fallen insbesondere Ersatzansprüche eines Ehegatten gegen den anderen, beispielsweise gemäß §§ 1445 Abs. 2, 1446 Abs. 1 oder 1467 Abs. 2 BGB, da auch ein Ehegatte Gläubiger sein kann. Gesamtgutsverbindlichkeiten können grundsätzlich nur während des Bestehens bis zur Beendigung der Gütergemeinschaft begründet werden. Nach Beendigung des Güterstandes sind neu eingegangene Verbindlichkeiten entweder von dem sie begründenden Teilhaber allein, oder, im Falle der Zustimmung oder Mitwirkung des anderen Teils, von beiden anteilig zu tragen. Die Eheleute können jedoch im Liquidationsstadium gemeinsame Schulden durch Vereinbarung als Gesamtgutsverbindlichkeiten begründen und im Innenverhältnis zwischen ihnen deren Vorwegbereinigung vor der Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft verlangen.
Rz. 1386
Die Gesamtgutsverbindlichkeiten können auf jede Weise berichtigt werden. Möglich ist insbesondere die Berichtigung durch Erfüllung oder ein Surrogat nach §§ 362 ff. BGB.
Rz. 1387
Nach der Rechtsprechung kann die Berichtigung von Gesamtgutsverbindlichkeiten auch durch eine befreiende Schuldübernahme erfolgen, indem der sein Übernahmerecht nach § 1477 Abs. 2 BGB ausübende Ehegatten sie als Alleinschuld übernimmt und der Dritte den anderen Ehegatten aus der Haftung erlässt. In diesem Fall ist die Versilberung des von der Übernahmeerklärung betroffenen Gegenstandes aus dem Gesamtgut nicht erforderlich, um eine drohende persönliche Inanspruchnahme des die Versteigerung betreibenden Ehegatten für die bestehengebliebenen Gesamtgutsverbindlichkeiten auszuschließen. Ohne diese Rechtsprechung wäre eine Übernahme nach § 1477 Abs. 2 BGB nur möglich, wenn das Gesamtgut von jeglichen Schulden befreit ist (§§ 1475 Abs. 1 i.V.m. 1476 Abs. 1 BGB). Dadurch würde oftmals eine Veräußerung erforderlich.
Rz. 1388
Voraussetzung für die Haftungsentlassung ist aber, dass eine vorbehaltlose, grundsätzlich unbedingte und uneingeschränkte Übernahme der Verbindlichkeiten als Alleinschuldner vorliegt. Es sind nur Bedingungen zulässig, die lediglich vom Vollzug der Auseinandersetzung abhängig gemacht werden, beispielsweise die übliche Bedingung von Banken, dass eine Schuldhaftentlassung des anderen Ehegatte unter der Bedingung der Eigentumsumschreibung auf den künftigen Alleineigentümer steht. Keine wirksame Freistellung liegt vor, wenn ein Ehegatte die Zustimmung zur Auseinandersetzung Zug um Zug gegen die Vorlage von Haftungsentlassungserklärungen der Gläubiger verlangt. Aufgrund der Bedeutung des § 1475 Abs. 1 BGB und dem dieser Vorschrift zugrundeliegenden Sicherungsbedürfnis des auf Auseinandersetzung des Gesamtguts in Anspruch genommenen Teilhabers, muss die Schuldenregelung spätestens im Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung vorliegen.
Rz. 1389
Gegenseitige Verbindlichkeiten der Ehegatten untereinander oder gegen das Gesamtgut werden nach § 1476 Abs. 2 BGB verrechnet. Wenn eine Verbindlichkeit noch nicht fällig oder streitig ist, müssen die Ehegatten gemäß § 1475 Abs. 1 S. 2 BGB zurückbehalten, was zur Berichtigung dieser Verbindlichkeit erforderlich ist. Dies gilt auch, wenn zwischen den Ehegatten streitig ist, ob eine Verbindlichkeit der Haftung des Gesamtguts unterfällt. Diese Rücklagen bleiben weiterhin Gesamtgut.
Rz. 1390
Es besteht eine Verpflichtung der Ehegatten zur Mitwirkung an der Berichtigung von Gesamtgutsverbindlichkeiten. Ist das Bestehen von Verbindlichkeiten streitig, ist die Zustimmung des anderen Ehegatten zur Auszahlung in einem gesonderten Verfahren geltend zu machen.
(2) Ausnahme vom Grundsatz des § 1475 Abs. 1 BGB
Rz. 1391
Eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 1475 Abs. 1...