Dr. iur. Thomas Eder, Andreas Hilmer
Rz. 1264
In den Ausnahmefällen der §§ 1454, 1455 und 1456 BGB ist Alleinverwaltung möglich.
(1) Notverwaltungsrecht
Rz. 1265
Ist ein Ehegatte durch Krankheit oder Abwesenheit verhindert, bei einem Rechtsgeschäft mitzuwirken, das sich auf das Gesamtgut bezieht, so kann der andere Ehegatte das Rechtsgeschäft vornehmen, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist (§ 1454 S. 1 Hs. 1 BGB). Hierbei kann er im eigenen Namen oder im Namen beider Ehegatten handeln (§ 1454 S. 1 Hs. 2 BGB). Das Gleiche gilt für die Führung eines Rechtsstreits, der sich auf das Gesamtgut bezieht (§ 1454 S. 2 BGB).
Rz. 1266
Das Notverwaltungsrecht bezieht sich auf Rechtsgeschäfte aller Art. Davon inbegriffen sind Rechtsgeschäfte gemäß §§ 1423–1425 BGB, bei denen bei Alleinverwaltung die Zustimmung des anderen Ehegatten erforderlich wäre. Nach herrschender Meinung sind tatsächliche Maßnahmen davon nicht erfasst, für diese gilt § 1455 Nr. 10 BGB. Im Gegensatz zu § 1429 BGB, dem Notverwaltungsrecht bei Alleinverwaltung, besteht für den Ehegatten im Rahmen des § 1454 BGB nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zur Ausübung des Notverwaltungsrechts. Bei Verletzung dieser Pflicht können Schadensersatzansprüche analog § 1435 S. 3 BGB die Folge sein.
Rz. 1267
Selbst wenn der Ehegatte im Rahmen seines Notverwaltungsrechts nicht im Namen beider Ehegatten, sondern im eigenen Namen handelt, wird das Gesamtgut berechtigt und verpflichtet und führt zur Haftung des Gesamtguts und beider Ehegatten persönlich (§ 1459 Abs. 2 S. 1 BGB).
(2) Besondere Verwaltungshandlungen
Rz. 1268
In § 1455 BGB sind Verwaltungshandlungen aufgeführt, die jeder Ehegatte ohne Mitwirkung des anderen mit Wirkung für und gegen das Gesamtgut ausführen kann. Insoweit tritt auch die persönliche Haftung beider Ehegatten ein (§ 1459 Abs. 2 S. 1 BGB). Nach § 1455 BGB kann jeder Ehegatte:
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Eine ihm angefallene Erbschaft oder ein ihm angefallenes Vermächtnis annehmen oder ausschlagen (§ 1455 Nr. 1 BGB), |
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auf seinen Pflichtteil oder auf den Ausgleich eines Zugewinns verzichten (§ 1455 Nr. 2 BGB), |
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ein Inventar über eine ihm oder dem anderen Ehegatten angefallene Erbschaft errichten, es sei denn, dass die dem anderen Ehegatten angefallene Erbschaft zu dessen Vorbehalts- oder Sondergut gehört (§ 1455 Nr. 3 BGB), |
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einen ihm gemachten Vertragsantrag oder eine ihm gemachte Schenkung ablehnen (§ 1455 Nr. 4 BGB), |
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ein sich auf das Gesamtgut beziehendes Rechtsgeschäft gegenüber dem anderen Ehegatten vornehmen (§ 1455 Nr. 5 BGB), |
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ein zum Gesamtgut gehörendes Recht gegen den anderen Ehegatten gerichtlich geltend machen (§ 1455 Nr. 6 BGB), |
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einen Rechtsstreit fortsetzen, der bei Eintritt der Gütergemeinschaft anhängig war (§ 1455 Nr. 7 BGB), |
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ein zum Gesamtgut gehörendes Recht gegen einen Dritten gerichtlich geltend machen, wenn der andere Ehegatte ohne die erforderliche Zustimmung über das Recht verfügt hat (§ 1455 Nr. 8 BGB), |
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ein Widerspruchsrecht gegenüber einer Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut gerichtlich geltend machen (§ 1455 Nr. 9 BGB), |
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die zur Erhaltung des Gesamtguts notwendigen Maßnahmen treffen, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist (§ 1455 Nr. 10 BGB). |
Rz. 1269
Von § 1455 Nr. 10 BGB sind nur Maßnahmen zur Erhaltung des Gesamtguts, nicht aber zu dessen Vermehrung erfasst. Diese Vorschrift beinhaltet nicht nur ein Recht auf Vornahme der notwenigen Maßnahmen zur Erhaltung des Gesamtguts, sondern auch die Pflicht zur Vornahme dieser Maßnahmen, dessen Verletzung zu einer Schadensersatzpflicht entsprechend § 1435 S. 3 BGB führen kann. Von § 1455 Nr. 10 BGB ist beispielsweise ein Antrag auf Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Eigentumsumschreibung an einem Grundstück erfasst. Ein Ehegatte kann nach dieser Vorschrift auch für den Fall, dass zum Gesamtgut Anteile der Ehegatten an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zählen, allein berechtigt sein, in der Gesellschafterversammlung gegen seinen Willen gefasste rechtswidrige Beschlüsse gerichtlich anzufechten, ohne dass es dazu einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zur Prozessführung bedarf.
(3) Selbstständiges Erwerbsgeschäft
Rz. 1270
§ 1456 BGB beinhaltet weitere Ausnahmen von dem Grundsatz, dass die Ehegatten nur gemeinschaftlich zur Gesamtgutsverwaltung berechtigt sind.
Rz. 1271
Hat ein Ehegatte darin eingewilligt, dass der andere Ehegatte selbstständig ein Erwerbsgeschäft betreibt, so ist seine Zustimmung gemäß § 1456 Abs. 1 S. 1 BGB zu solchen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten nicht erforderlich, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt.
Rz. 1272
Zweck des § 1456 BGB ist es, einem Ehegatten die Teilnahme am Wirtschaftsleben zu ermöglichen und diesem die dazu erforderliche Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Denn wegen der Beschränkung der Haftung auf das Vorbehalts- und Sondergut könnte der Rechtsverkehr behindert sein, daher soll die Haftungsgrundlage für verpflichtende Rechtsgeschäfte dieses Ehegatten so ausgestaltet...