Rz. 343

Der Unternehmenserfolg ist insbesondere bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen oftmals in hohem Maß vom Unternehmer abhängig. Daher sollte der jeweilige Einfluss des bisherigen Unternehmers in der Unternehmensbewertung ausreichend berücksichtigt werden. Dies erfordert eine genaue Analyse des Einflusses des Unternehmers auf den Unternehmenserfolg.[548]

 

Rz. 344

In der Praxis werden für eine hohe Personenbezogenheit von Unternehmen stark wertmindernde Abschläge vorgenommen, wobei diese allerdings meist pauschaler Natur sind.[549]

Ferner werden in der Praxis noch Risikozu- bzw. abschläge, insbesondere bei kleineren und mittelgroßen Unternehmen, für eingeschränkte Liquidität bzw. Fungibilität eines Unternehmens vorgenommen.

 

Rz. 345

Das Risiko einer geringen Liquidität wird nur dann relevant, wenn in Zukunft Umstände eintreten, die den Eigenkapitalgeber dazu veranlassen, sich unplanmäßig von seinen Unternehmensanteilen zu trennen.[550]

 

Rz. 346

Fungibilität wird als die Fähigkeit verstanden, das Eigentumsrecht an einem Unternehmen oder Unternehmensanteil schnell, sicher und ohne hohe Kosten durch Geld substituieren zu können.[551] Fungibilitätsabschläge von dem Unternehmenswert sollen die gegenüber einer Alternativanlage wie Staatsanleihen erschwerte Veräußerbarkeit von Unternehmen oder Unternehmensanteilen bei der Ermittlung des Unternehmenswertes abgelten.[552] Die geringe Fungibilität von Unternehmensanteilen ist dadurch zu erklären, dass sich Verkaufsprozesse über einen langen Zeitraum erschrecken können und in der Regel mit nicht vernachlässigbaren Kosten verbunden sind, wobei dieses Risiko der Illiquidität bei größeren und kapitalmarktorientierten Unternehmen in der Literatur nur selten gesehen wird, während Anteile an Einzelunternehmen und Personengesellschaften regelmäßig davon betroffen sind.[553]

 

Rz. 347

Für die Höhe solcher Risikoabschläge bei der Unternehmensbewertung stellt weder die Theorie eine einheitliche Adjustierung zur Verfügung, noch konnten in der Empirie einheitliche Anpassungen beobachtet werden.[554] Aufgrund des Fehlens einer theoretisch fundierten Quantifizierung der Abschlagshöhe steht regelmäßig dem Versuch der Bemessung der Vorwurf der Willkürlichkeit gegenüber.[555]

 

Rz. 348

Die folgenden Bewertungskriterien können für die Annahme und Bemessung von Risikozuschlägen zur Adjustierung des Basiszinssatzes herangezogen werden:[556]

 
Modifikation Argumentation Riskozuschlag
Fungibilitätszuschlag Unternehmensanteile sind im Gegensatz zu Anlageformen wie Staatsanleihen einer erschwerten Veräußerbarkeit unterlegen. Die Höhe ist abhängig von der aktuellen Ausprägung der Marktsituation (Käufer-/Verkäufermarkt) von 20 % bis 43 %
Zuschlag durch Personenabhängigkeit Ein hoher Grad an unternehmerischer Mitbestimmung kann zu zusätzlichen Risiken führen, insbesondere dann, wenn keine funktionierende zweite Führungsebene existiert. von 15 % bis 45 %
Zuschlag für Wettbewerbsrisiken Kleine Unternehmen in reifen Branchen mit großem Wettbewerbsdruck und geringem Branchenwachstum sind mit einem hohen zusätzlichen Risikoaufschlag zu bewerten. von 5 % bis 14 %
Zuschlag für fehlende Unternehmensstrategie Unternehmen mit kurzfristiger Ausrichtung sind in der Regel weniger erfolgreich. Eine Vielzahl mittelständischer Unternehmer lebt "aus dem Bauch" heraus. Eine Strategie und langfristige Unternehmensziele sind oftmals nicht vorhanden. Ein Nachfolger beginnt daher bei Null bzw. unter erschwerten Bedingungen. von 7 % bis 14 %
 

Rz. 349

Bei der Bewertung ausländischer Unternehmen bedarf es keines Länderrisikoabschlages, denn hier werden erhöhte "Länderrisiken" bereits über die Minderung der Erträge erfasst.[557]

[548] Hackspiel/Fries, Unternehmensbewertung, M&A Review 2010, 131, 136.
[549] Hackspiel/Fries, Unternehmensbewertung, M&A Review 2010, 131, 136.
[550] Ernst/Schneider/Thielen, Unternehmensbewertungen erstellen und verstehen, S. 74.
[551] Barthel, Berücksichtigungsfähigkeit und Ableitung von Fungibilitätszuschlägen, DB 2003, 1181.
[552] Hackspiel/Fries, Unternehmensbewertung, M&A Review 2010, 131, 136.
[553] Hackspiel/Fries, Unternehmensbewertung, M&A Review 2010, 131, 136.
[554] Loßagk, Die Bewertung nicht börsennotierter Unternehmen, S. 61.
[555] Fleischer, Abschläge in der Unternehmensbewertung, S. 1637.
[556] Hackspiel/Fries, Unternehmensbewertung, M&A Review 2010, 131, 137.
[557] Klein, Handbuch Familienvermögensrecht, S. 496.

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