Dr. Mario Nöll, Gabriela Hack
Rz. 63
Stellt der Erbe nicht unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB) Insolvenzantrag, nachdem er die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses erkannte oder hätte erkennen können, ist er den Gläubigern gem. § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Nach § 1980 Abs. 2 S. 1 BGB steht der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung die auf Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis gleich.
Rz. 64
Als Fahrlässigkeit gilt es insbesondere, wenn der Erbe Grund hatte, das Vorhandensein unbekannter Nachlassverbindlichkeiten zu vermuten, aber gleichwohl nichts unternimmt, um die bestehenden Zweifel auszuräumen, insbesondere kein Aufgebotsverfahren gemäß § 1970 BGB durchführt, vgl. § 1980 Abs. 2 S. 2 BGB. Bestehen keine objektiven Anhaltspunkte für eine mögliche Insolvenzreife, besteht grundsätzlich auch keine Pflicht, aktiv Nachforschungen anzustellen.
Rz. 65
Nach h.M. greift die Insolvenzantragspflicht erst ab Annahme der Erbschaft, § 1943 BGB (im Einzelnen zu der Insolvenzantragspflicht siehe § 3 Rdn 1 ff.). Freilich wird man in bestimmten Verwaltungsmaßnahmen, wie z.B. in der Befriedigung einzelner Nachlassgläubiger aus Nachlassmitteln oder der Einziehung von Nachlassforderungen auf eigene Konten, in der Regel eine konkludente Annahme zu sehen haben.
Ein Erbe, dessen Erbrecht in Zweifel gezogen wird und der daher um sein Erbrecht prozessieren muss (Erbprätendent), bleibt durchgängig insolvenzantragspflichtig, auch, wenn im Hinblick auf den Erbprätendentenstreit die Nachlasspflegschaft angeordnet wurde. Keine Insolvenzantragspflicht besteht, wenn der Erbe gemäß § 2013 BGB allen Nachlassgläubigern gegenüber unbeschränkbar haftet.
Die Antragspflicht des Erben erlischt mit der Anordnung einer Nachlassverwaltung. Die Antragspflicht trifft dann ausschließlich den Nachlassverwalter.
Rz. 66
Auf einen Nachlasspfleger oder einen Testamentsvollstrecker ist § 1980 BGB nach h.M. weder direkt noch entsprechend anwendbar. In Bezug auf den Nachlasspfleger ist dem allerdings nicht uneingeschränkt zuzustimmen. Der insbesondere in der erbrechtlichen Literatur vielbeachteten und vielzitierten BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2004, aus der grundsätzlich abgeleitet wurde, dass Nachlasspfleger generell nicht insolvenzantragspflichtig sind, lag bei Lichte besehen ein Sonderfall zugrunde, und zwar derjenige eines Erbprätendentenstreites. In solchen Fällen ist bereits zweifelhaft, ob überhaupt ein Sicherungsbedürfnis gemäß § 1960 BGB als materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft besteht, da in den typischen Fällen de facto ja sogar mehrere Parteien vorhanden sind, die sich in der Regel mit hohem Engagement um die Sicherung des Nachlasses kümmern, soweit ihre faktische Einwirkungsmöglichkeit reicht.
Rz. 67
Unabhängig davon ist zu beachten, dass der BGH es sich in dem Fall einfach machen konnte, die Insolvenzantragspflicht des Nachlasspflegers zu verneinen. Denn anders als in den praktisch bedeutsameren Fällen, in denen die Anordnung der Nachlasspflegschaft eine Folge von Erbausschlagungen ist, steht den Gläubigern in den Fällen von Erbprätendentenstreit spätestens dann, wenn dieser eines Tages rechtskräftig entschieden ist, mit dem dann festgestellten Erben ein taugliches Haftungssubjekt zur Geltendmachung etwaiger Insolvenzverschleppungsschäden zur Verfügung, dem gegenüber er seinen Insolvenzverschleppungsschaden geltend machen kann. Dabei kommt eine Wissenszurechnung der Erkenntnisse des Nachlasspflegers zum Erben in Betracht, was es dem Gläubiger regelmäßig ermöglicht, sich bei dem Erben schadlos zu halten. Dementsprechend judizierte der BGH, dass die Insolvenzantragspflicht in dem von ihm zu entscheidenden Fall durchgängig ausschließlich bei den Erben bzw. Erbprätendenten liegt. Hierbei konnte der BGH offenlassen, wie sich diese Rechtsprechung in den klassischen Fällen von Nachlasspflegschaft auswirkt, die dadurch gekennzeichnet sind, dass abgesehen vom Nachlasspfleger keine weiteren natürlichen Personen vorhanden sind, die als Subjekt einer persönlichen Schadensersatzpflicht zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund darf bezweifelt werden, dass der BGH auch in einem Fall von Erbausschlagungen und daraufhin angeordneter Nachlasspflegschaft zum Ergebnis gekommen wäre, Nachlasspfleger seien generell nicht insolvenzantragspflichtig.
Rz. 68
Keine Insolvenzantragpflicht besteht bei Dürftigkeit i.S.d. § 1990 BGB. Dürftigkeit ist gegeben, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens "wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht tunlich ist." Die Insolvenzantragspflicht entfällt nicht schon dadurch, dass der Erbe den Nachlass für dürftig hält, sondern nur dann, wenn dieser nachweislich dürftig ist. Zuverlässigen Beweis hierüber kann regelmäßig nur ein Beschluss gemäß § 26 InsO liefern, da in diesem Fall eine sachverständige Prüfung zu dem Ergebnis der Dürftigkeit gekommen ist. Insolvenzrechtliche Laien können die Dürftigkeit erf...