Dr. Mario Nöll, Gabriela Hack
Rz. 1
Gemäß § 1975 BGB beschränkt sich durch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens die Haftung des oder der Erben für die Nachlassverbindlichkeiten automatisch auf den Nachlass, genauer gesagt auf die – hiermit nicht notwendigerweise deckungsgleiche – Nachlassinsolvenzmasse.
Etwas anderes gilt gemäß § 2013 BGB, wenn der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten nach Maßgabe der §§ 1993 ff. BGB unbeschränkt haftet. Letzteres ist zum einen der Fall, wenn der Erbe eine ihm nach Maßgabe des § 1995 BGB nachlassgerichtlich gesetzte Frist zur Inventarerrichtung schuldhaft ungenutzt verstreichen lässt, vgl. § 1994 Abs. 1 BGB, und eine Exkulpation gem. § 1996 Abs. 1 BGB ausbleibt. Darüber hinaus haftet der Erbe auch dann unbeschränkt, wenn er absichtlich ein unrichtiges Inventar errichtet oder einer amtlichen Inventarerrichtung die Mitwirkung verweigert bzw. verzögert, vgl. §§ 2003, 2005 BGB.
Rz. 2
Objekt des Nachlassinsolvenzverfahrens und damit auch Bezugsobjekt der der Verfahrenseröffnung vorgelagerten Prüfung des Vorliegens von Insolvenzgründen ist gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 InsO der Nachlass. Dieser Begriff wird nirgendwo exakt definiert. Gemeinhin versteht man unter dem Nachlass die Summe der vom Erblasser nach Maßgabe der §§ 1922, 1967 BGB hinterlassenen Aktiva und Passiva. Nach dem dort verankerten Prinzip der Universalsukzession gehen Vermögen und Schulden des Erblassers in der juristischen Sekunde des Todes auf den Rechtsnachfolger über und vermischen bzw. verbinden sich dort mit dem Eigenvermögen des Betreffenden. Soll später über den Nachlass ein Insolvenzverfahren eröffnet werden, müssen die Vermögensmassen – gedanklich – und, soweit das Verfahren tatsächlich eröffnet wird, auch faktisch wieder voneinander getrennt werden. Im Zuge dieser "separatio bonorum" verliert der Erbe zwar einerseits nachträglich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, erhält dafür aber – vorbehaltlich der Fälle des § 2013 BGB – auch nachträgliche Befreiung von der in § 1967 BGB angeordneten grundsätzlich unbeschränkten Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten.
Rz. 3
Die Abgrenzung von Nachlass und Erbeneigenvermögen ist zuweilen schwierig, vor allem dann, wenn der Nachlass zur fraglichen Zeit der Eröffnungsentscheidung bereits vollständig unter mehreren Miterben auseinandergesetzt oder aber von einem Alleinerben untrennbar mit seinem Eigenvermögen vermischt bzw. diesem einverleibt wurde. Probleme bereitet die Sonderung des Nachlasses auch dann, wenn zum Nachlass ein Unternehmen mit laufendem Geschäftsbetrieb gehört oder das im Erbgang befindliche Vermögen vergleichbar dynamische Strukturen aufweist und seit dem Erbfall bereits in erheblichem Umfang gegenständlich verändert wurde. Im Allgemeinen gestaltet sich die zunächst nur gedanklich und im Fall der späteren Verfahrenseröffnung dann auch faktisch durchzuführende nachträgliche Sonderung von Nachlass und Erbeneigenvermögen umso schwieriger, je mehr Zeit zwischen Erbfall und Eröffnungsentscheidung bereits vergangen ist und je dynamischer die im Erbgang befindliche Vermögensstruktur ist.
Rz. 4
Die Begriffe Nachlass und Nachlassinsolvenzmasse sind nicht deckungsgleich. Denn die Insolvenzmasse erschöpft sich typischerweise nicht in der Gesamtheit der Nachlassaktiva, die bei Verfahrenseröffnung noch vorhanden sind. Hinzu kommen regelmäßig Sonderaktiva. Darunter sind insolvenzspezifische Ansprüche zu verstehen, die ihren Rechtsgrund in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst haben. Zu diesen Sonderaktiva zählen zum einen Anfechtungsansprüche gemäß §§ 129 ff. InsO sowie zum anderen die nachlassinsolvenzspezifischen Sonderaktiva der §§ 1976 ff. BGB, insbesondere die massezugehörigen Ansprüche der Nachlassgläubiger gemäß §§ 1978 ff. BGB.
Rz. 5
Zur Nachlassinsolvenzmasse gehört schließlich auch etwaiger Neuerwerb, § 35 Abs. 1 Alt. 2 InsO, also solche Vermögensgegenstände, die dem Nachlass erst im Laufe des Verfahrens zufallen, wie insbesondere Nutzungen, Früchte und Erzeugnisse aus der Verwendung von Nachlassgegenständen. Echter Neuerwerb im eigentlichen Sinne der durch Erwerbstätigkeit des Schuldners erzielten laufenden Einkünfte sind im Nachlassinsolvenzverfahren praktisch kaum denkbar, da der Erblasser als Arbeitskraft ausfällt und die Arbeitskraft des Erben regelmäßig dessen Eigenvermögen zuzuordnen sein wird.
Ebenfalls kein Neuerwerb, aber gleichwohl Bestandteil der Insolvenzmasse sind Gegenstände, die dem Nachlass kraft dinglicher Surrogation zufallen, wobei die betreffenden Fälle abschließend im BGB geregelt sind. Von praktischer Relevanz ist in dem Zusammenhang insbesondere § 2041 BGB, der die unmittelbare Ersetzung bei Veräußerungsgeschäften im Rahmen der Nachlassverwaltung durch Erbengemeinschaften vorsieht.
Außerdem fällt in die Insolvenzmasse nach § 36 InsO nur der pfändbare Teil des Nachlasses, wobei die Bestimmung desselben nach dem Tod oftmals Probleme bereitet, da durch den Tod diverse Pfändungsschutzvorschriften ihrem Sinn und Zweck nach unanwendbar werden.
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