Dr. Mario Nöll, Gabriela Hack
Rz. 202
Gem. § 26 Abs. 1 S. 1 InsO weist das Gericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab, "wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken."
Hinweis
Die Formulierung ist missverständlich, da nicht etwa das im Moment der Eröffnungsentscheidung vorhandene Vermögen des Schuldners, sondern die künftige Insolvenzmasse richtiger Bezugspunkt der Kostendeckungsprüfung ist. Im Nachlassinsolvenzverfahren ist die künftige Insolvenzmasse nicht deckungsgleich mit dem Nachlassaktivvermögen, das Gegenstand der Prüfung des Vorliegens von Insolvenzgründen ist (zur Insolvenzmasse siehe ausführlich Rdn 1 ff.).
Rz. 203
§ 26 InsO hat in Nachlassinsolvenzverfahren besondere praktische Bedeutung, da es häufig vorkommt, dass Erben nach Feststellung ihres Erbrechts (nahezu) kein haftendes Vermögen im Nachlass vorfinden. In dieser Situation hilft dem Erben die gesetzliche Regelung in § 1990 BGB, in der die Erhebung der sogen. "Dürftigkeitseinrede" geregelt ist. Mittels dieser Einrede kann der Erbe Nachlassforderungen (vermeintlich allein) mit dem Hinweis auf die "Untunlichkeit" der Eröffnung des Insolvenzverfahrens "mangels Masse" abwehren und so die gewünschte Haftungsbeschränkung auf den Nachlass in gleicher Weise realisieren wie durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. In der Praxis wird § 1990 BGB häufig dahingehend fehlinterpretiert, als handele es sich bei der Dürftigkeitseinrede um ein selbstständiges Instrument zur Haftungsbeschränkung, das für den Erben gleichsam eine Alternative zur Stellung des Insolvenzantrags darstellt; namentlich jedenfalls immer dann, wenn im Nachlass "kein zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens ausreichendes Aktivvermögen vorhanden ist". Diese durch entsprechend unpräzise Kommentierungen in der erbrechtlichen Literatur hervorgerufene Fehlvorstellung verkennt, dass es sich bei dem in § 1990 BGB enthaltenen Tatbestandsmerkmal der "Untunlichkeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse" um einen technischen Rechtsbegriff handelt, der in § 26 InsO legaldefiniert ist. § 1990 BGB verweist also auf § 26 InsO, der normiert, wann von einer solchen "Untunlichkeit mangels Masse" auszugehen ist. Bei § 26 InsO kommt es für die fragliche Beurteilung allerdings nicht auf die oftmals triviale Beurteilung an, wie wertig das aktuell im Nachlass vorhandene Aktivvermögen relativ zu den voraussichtlichen Kosten ist. Entscheidend ist vielmehr der voraussichtliche Wert der zukünftigen Insolvenzmasse in einem gedachten Insolvenzverfahren. Wie sich die Insolvenzmasse in Nachlassinsolvenzverfahren zusammensetzt, ist u.a. Gegenstand dieses ganzen Kapitels. Allein das zeigt, dass die Frage, wie sich im Falle einer möglichen Verfahrenseröffnung die künftige Insolvenzmasse wohl zusammensetzen wird, niemals von juristischen Laien, sondern nur von insolvenzrechtlichen Sachverständigen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens beurteilt werden kann. Somit ist klar, dass die Stellung eines Insolvenzantrags auch in Fällen völliger und offensichtlicher Mittellosigkeit des Nachlasses zum Beantragungszeitpunkt den Erben regelmäßig nicht davon entbindet, zur Erlangung der Haftungsbeschränkung zunächst den gem. § 1980 BGB gebotenen Insolvenzantrag zu stellen. Erst wenn den Erben ein gerichtlicher Beschluss über die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse vorliegt, können sie sich Gläubigern gegenüber unter Bezugnahme hierauf zulässigerweise auf die Dürftigkeitseinrede berufen.