A. Erwerb des Vermächtnisanspruchs und Annahme des Vermächtnisses
Rz. 72
Das Vermächtnis fällt kraft Gesetzes mit dem Erbfall an (§ 2176 BGB). Wird es ausgeschlagen, so entfällt das Vermächtnis rückwirkend.
Die Annahme des Vermächtnisses hat zur Folge, dass das Ausschlagungsrecht entfällt (§ 2180 Abs. 1 BGB). Vom Anfall des Vermächtnisses ist dessen Erfüllung zu unterscheiden. Die Annahme des Vermächtnisses ist denknotwendige Voraussetzung für die Erfüllung des Vermächtnisses.
Die Annahme des Vermächtnisses erfolgt durch Erklärung, oftmals schlüssige Erklärung, gegenüber dem Beschwerten (§ 2180 Abs. 2 BGB). Eine Frist für die jeweilige Erklärung gibt es nicht.
Der geschäftsbeschränkte Minderjährige, dem ein Vermächtnis angefallen ist, kann das Vermächtnis nicht selbstständig annehmen, weil er – wie bei der Annahme einer Erbschaft – durch den Verlust des Ausschlagungsrechts rechtlich benachteiligt wird.
Rz. 73
Nicht selten ist der gesetzliche Vertreter derjenige, der mit dem Vermächtnis zugunsten des Minderjährigen belastet ist. Da die Annahme des Vermächtnisses durch Erklärung gegenüber demjenigen, der mit dem Vermächtnis beschwert ist (§ 2180 Abs. 2 BGB), erfolgen muss, müsste der gesetzliche Vertreter sie sich selbst gegenüber erklären, was im Allgemeinen Unsinn ist. Da das ähnliche Problem etwas lebensnäher bei § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB auftaucht, mag die Frage dort erörtert werden.
Beispiel
Der Großvater ist Alleinerbe seines Bruders. Dessen Enkelsohn, dem Sohn der Tochter des Großvaters, hat der Erblasser seinen Oldtimer als Vermächtnis zugewandt.
Steht nun einer Annahme des Vermächtnisses durch die Eltern des Enkelsohnes § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB – das Verbot des Verwandtengeschäfts – entgegen? Die Vorschrift spricht von "… einem Rechtsgeschäft zwischen … einem seiner Verwandten in gerader Linie einerseits und dem Mündel andererseits…". Heute ist unbestritten, dass die Vorschrift auch grundsätzlich anwendbar ist, wenn das Rechtsgeschäft (die Erklärung der Annahme) nicht "zwischen" den Personen, sondern nur gegenüber einer anderen Person stattfindet.
Die Vorschrift des § 1795 BGB wird heute einengend dahin ausgelegt, dass sie dann nicht anwendbar ist, wenn sie dem Vertretenen, hier dem Minderjährigen, nur einen rechtlichen Vorteil bringt (§ 107 BGB).
Die Annahme ist wegen des Verlustes des Ausschlagungsrechts – wie bei der Annahme einer Erbschaft (siehe Rdn 35) – nicht rechtlich vorteilhaft. Der gesetzliche Vertreter kann das Vermächtnis wegen des Verbots des Verwandtengeschäfts (§ 1795 BGB) also nicht annehmen. In solchem Fall bedürfte es der Bestellung eines Ergänzungspflegers (§ 1909 BGB). Das Problem löst sich praktisch: Auch ohne rechtswirksame Annahme kann der Vermächtnisanspruch, z.B. die Übereignung des Oldtimers, erfüllt werden (siehe Rdn 76): Dass dann rechtliche Schwierigkeiten entstehen, ist weitestgehend ausgeschlossen.
B. Ausschlagung des Vermächtnisses
Rz. 74
Der Minderjährige kann nicht selbstständig das angefallene Vermächtnis ausschlagen, weil er dadurch den Vermächtnisanspruch verliert. Wird der Minderjährige durch seine Eltern vertreten, so können sie für ihn das Vermächtnis ausschlagen. Grundsätzlich benötigen sie dazu die Genehmigung des Familiengerichts (§ 1643 Abs. 2 S. 1 BGB). Tritt der Anfall an das Kind erst infolge der Ausschlagung eines Elternteils, der das Kind (mit-)vertritt ein, so ist die Genehmigung nur erforderlich, wenn dieser Elternteil neben dem Kind berufen war (§ 1643 Abs. 2 S. 2 BGB). Wird der Minderjährige durch einen Vormund oder Pfleger vertreten, so bedarf dieser zur Ausschlagung die Genehmigung des Familiengerichts nach § 1822 Nr. 2 BGB.
Rz. 75
Ist ein Elternteil oder der Vormund derjenige, der mit dem Vermächtnis belastet ist, so hätte er die Ausschlagung seines Kindes gegenüber sich selbst zu erklären (§ 2180 Abs. 2 Abs. 2 S. 1 BGB). Dem steht grundsätzlich § 181 BGB entgegen, nämlich das Verbot des In-Sich-Geschäfts. Von diesem Verbot wird dann zwar eine Ausnahme gemacht, wenn das Rechtsgeschäft, also hier die Ausschlagung, für den Vertretenen nur einen rechtlichen Vorteil im Sinne des § 107 BGB bringt. Aber die Ausschlagung ist für den Minderjährigen nicht rechtlich vorteilhaft, so dass ein Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB) zu bestellen ist, der über Annahme oder Ausschlagung des Vermächtnisses verantwortlich entscheidet.
Neben § 181 BGB ist § 1795 BGB zu beachten. Ist z.B. derjenige, der mit dem Vermächtnis belastet ist, der Vater des Vormunds, so kann der Vormund seinen Mündel bei der Ausschlagung gemäß § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht vertreten, weil die Ausschlagung für den Mündel rechtlich nachteilig ist. Es muss ein Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB) bestellt werden, der über Annahme oder Ausschlagung entscheidet.
Zum Genehmigungserfordernis bei Ausschlagung siehe Rdn 72.
C. Erfüllung des Vermächtnisanspruchs
Rz. 76
Die Erfüllung des Vermächtnisanspruchs, sei es durch den Erben, sei es durch die Miterben oder durch einen (Obe...