Rz. 33
Aufgrund einer festen Kreditzusage der Bank kann dem Kunden ein vereinbarter Kreditrahmen zur Verfügung gestellt werden, den er jederzeit abrufen kann (Vorvertrag). Für die Einräumung des Kredits werden darüber hinaus konkrete Zinssätze vereinbart, die regelmäßig unter den Zinssätzen für einen Überziehungskredit liegen. Der Vertragsabschluss kommt dann durch die einseitige Abrufung des Kreditbetrags durch den Kunden zustande (Dispositionskredit).
Rz. 34
Der BGH hat in seiner grundlegenden Entscheidung v. 29.3.2001 die Ansprüche des Bankkunden gegen das Kreditinstitut aus einem vereinbarten Dispositionskredit ("offene Kreditlinie") für pfändbar erklärt, soweit der Kunde den Kredit in Anspruch nimmt, ansonsten entfaltet die Pfändung zunächst keine Wirkung. Bei der Pfändung sind daher zu unterscheiden
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das Recht auf Abruf des Kredites und |
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die Auszahlung der Darlehenssumme. |
Rz. 35
Die Pfändung des Abrufrechts ist unzulässig. Erst mit der Ausübung des Abrufrechts durch den Schuldner kommen ein Darlehensvertrag und damit eine pfändbare Forderung zustande. Bereits vor der Pfändung muss der Gläubiger daher dartun, dass die Ausübung des Abrufrechts bereits erfolgt ist und damit die Entstehung eines Auszahlungsanspruchs besteht. Lässt man die Pfändung zu, hat dies zur Folge, dass der Gläubiger das Abrufrecht verwertet, indem er es für den Schuldner ausübt. Dadurch würde der Darlehensvertrag zwischen dem Schuldner und der Bank zustande kommen. Der Gläubiger entbindet somit den Schuldner von seiner Entscheidungsmöglichkeit, ob er den Kredit in Anspruch nehmen will oder nicht. Eine solche Ermächtigung des Gläubigers, im Wege der Zwangsvollstreckung neue Verbindlichkeiten gegen den Schuldner der Bank gegenüber zu begründen, ist jedoch unzulässig.
Rz. 36
Hat der Schuldner das Abrufrecht jedoch wahrgenommen und ist der Kreditbetrag dem Konto gutgeschrieben worden, ist ein entsprechendes Guthaben der Pfändung unterworfen.
Rz. 37
In diesem Zusammenhang wird neuerdings auch die Auffassung vertreten, dass mit Einräumung eines Dispositionskredites und der Möglichkeit eines späteren Abrufes des konkreten Darlehensbetrags eine zukünftige Forderung besteht, die der Pfändung unterliegt. Dieser Anspruch ist dem Gläubiger auch zur Einziehung zu überweisen, jedoch mit der Einschränkung, dass das Abrufrecht des Schuldners als höchstpersönliches Recht nicht verwertet werden kann. Der Gläubiger selbst kann den Kredit somit nicht abrufen.
Rz. 38
Sobald der Schuldner den Kredit abruft, erstreckt sich das Pfandrecht auf den Auszahlungsbetrag.
Rz. 39
Nicht zu folgen ist m.E. der noch weiter gehenden Auffassung, dass der Gläubiger mit dem Überweisungsbeschluss auch das Recht hat, das Abrufrecht des Schuldners an dessen Stelle auszuüben. Da der Schuldner dem Gläubiger keine pfändbare Forderung vorenthalten darf, ist hiernach auch nicht die Höchstpersönlichkeit des Abrufrechts geschützt. Der Gläubiger würde somit nur die Entscheidung des Schuldners ausführen, die dieser sonst selbst getroffen hätte.
Rz. 40
Die Zulassung einer solch weitgehenden Pfändung hat für den Gläubiger in der Praxis regelmäßig auch keine Bedeutung. Die Bank hat bei Vollstreckungsmaßnahmen ein Kündigungsrecht dem Kunden gegenüber und kann jede Darlehenszusage widerrufen. Da die Pfändung das Vertragsverhältnis zwischen Bank und Kunden stört, wird die Bank von ihrem umfassenden Widerrufsrecht regelmäßig Gebrauch machen.
Rz. 41
Der Gläubiger sollte daher in den Dispositionskredit pfänden, nicht jedoch auf seinem Abrufrecht bestehen.