Rz. 165

Nach § 27 MStV (§ 11a Abs. 1 S. 1 RStV) umschließt das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Rundfunkprogramm (Fernseh- und Hörfunkprogramme, §§ 28 und 29 MStV, §§ 11b und 11c RStV) und Telemedien. Programmauftrag ist die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung (§ 26 MStV, § 11 RStV).

 

Rz. 166

Besondere Anforderungen gibt es an die nicht sendungsbezogenen Angebote. Nachdem es früher schon Reibungspunkt zum Presserecht im Hinblick auf programmbegleitende Druckwerke gab,[175] werden diese nunmehr ausdrücklich in § 27 Abs. 1 S. 2 MStV (§ 11a Abs. 1 S. 2 RStV) genannt. Allerdings muss ein klarer Programmbezug bestehen und die Herausgabe darf nicht zum Zweck der Gewinnerzielung (allenfalls kostendeckend) erfolgen.[176] Ein ständiges Reizthema sind die Telemedienangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (§ 11d RStV). Die Presse sieht dadurch ihren ureigensten Bereich betroffen (z.B. SPIEGEL-Online). Daher hat der Gesetzgeber in § 31 MStV (§ 11e RStV) ein eigenes Verfahrensrecht zur Durchführung des Drei-Stufen-Tests geregelt,[177] allerdings nur für neue oder veränderte Telemedienangebote[178] sowie solche, die den zeitlichen Rahmen nach § 32 MStV (§ 11d Abs. 2 Nr. 1, 2 RStV) nicht einhalten (§ 32 Abs. 2 Nr. 3 MStV), und Angebote von zeitlich unbefristeten Archiven mit zeit- und kulturgeschichtlichen Inhalten (§ 32 Abs. 2 Nr. 4 MStV).[179]

 

Rz. 167

Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob das neue bzw. geänderte Angebot zum öffentlichen Auftrag gehört (das Angebot muss den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entsprechen, § 32 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 MStV, § 11d Abs. 4 S. 2 Nr. 1 RStV), keinen Verbotstatbestand des § 32 Abs. 2 Nr. 3 MStV, § 11d Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 RStV erfüllt und nicht unter die Negativliste (Anlage zu § 32 Abs. 4 MStV, § 11d Abs. 4 RStV) fällt.

Auf der zweiten Stufe ist zu untersuchen, ob das Angebot in qualitativer Hinsicht zum Wettbewerb beiträgt (§ 32 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 MStV, § 11f Abs. 4 S. 2 Nr. 2 RStV), wobei drei Aspekte abzuwägen sind, und zwar

1. Quantität und Qualität der vorhandenen frei zugänglichen Angebote,
2. die marktrelevanten Auswirkungen des geplanten Angebots sowie
3. die meinungsbildende Funktion angesichts bereits vorhandener, vergleichbarer Angebote.

Zum Abwägungsprozess auf der zweiten Stufe kann man als Faustformel festhalten, dass je höher die Qualität des geplanten Telemedienangebots des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in publizistischer Hinsicht ist, desto eher muss eine Beeinträchtigung konkurrierender privater Angebote hingenommen werden.

Auf der dritten Stufe wird die Erforderlichkeit des finanziellen Aufwands für die Erbringung des geplanten Angebots geprüft (§ 32 Abs. 4 Nr. 3 MStV, § 11f Abs. 4 S. 2 Nr. 3 RStV).
 

Rz. 168

Vor Aufnahme eines neuen oder veränderten Angebots ist Dritten[180] in geeigneter Weise, insbesondere im Internet, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 32 Abs. 5 MStV, § 11f Abs. 5 S. 1 RStV). Die dazu vorgesehene Frist von sechs Wochen (S. 2) kann (fakultativ) verlängert werden.

 

Rz. 169

Bei einer positiven Entscheidung des Rundfunkrats/Fernsehrats/Hörfunkrats (mit der Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder, mindestens aber die Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder) ist diese der für die Rechtsaufsicht zuständigen Behörde vorzulegen. Erst mit Bestätigung durch die Rechtsaufsicht[181] und der Veröffentlichung (in amtlichen Verkündungsblättern) ist der Betrauungsakt vollendet (§ 32 Abs. 6, 7 MStV, § 11f Abs. 6, 7 RStV).

 

Rz. 170

Der Rechtschutz der privaten Rundfunkanbieter sowie der Presse gegen öffentlich-rechtliche Telemedien ist problematisch. Zwar sieht § 32 Abs. 5 MStV, § 11f Abs. 5 RStV die Gelegenheit einer Stellungnahme durch Dritte vor, gleichwohl kann daraus keine Klagebefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO abgeleitet werden.[182] Allerdings hält Dörr[183] die Entscheidung der Rechtsaufsicht und die Veröffentlichung der Angebotsbeschreibung im amtlichen Verkündungsblatt für anfechtbar (Betrauungsakt als Verwaltungsakt). Die Anfechtungsklage ist so zu fassen, dass die Aufhebung des Betrauungsakts begehrt wird (Konkurrentenklage).[184]

 

Rz. 171

Eine weitere Möglichkeit des Rechtsschutzes ist die zivilrechtliche Durchsetzung gem. § 8 Abs. 1 (Unterlassungsanspruch), § 9 (Schadensersatzanspruch), §§ 3 Abs. 1, 3a UWG. Die Verbotstatbestände des § 32 Abs. 4 MStV (§ 11d Abs. 2 Nr. 4 RStV) (Unzulässigkeit nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote), des § 32 Abs. 4 S. 2 Nr. 1–3 MStV, (§ 11d Abs. 2 S. 1 Nr. 1–3 RStV) und § 32 Abs. 5 MStV (§ 11d Abs. 5 RStV) haben Marktbezug. Allerdings kommt eine Wettbewerbsklage nur in Betracht, wenn diese Angebote nicht genehmigt wurden.[185]

[175] Nach Auffassung des BVerfG BVerfGE 83, 238, 312 ff. ist diese unterstützende Randbetätigung vom Funktionsauftrag des Rundfunks erfasst.
[176] Für Jugendangebote ist der Drei-Stufen-Test ausgeschlossen; an dessen ...

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